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Anonym
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„Achte auf Tony Levin, genialer Musiker!“ Keine 20 Minuten vor Konzertbeginn, wir saßen schon im Liedersaal in Stuttgart, erschien uns diese sms eines Kumpels derart fehl am Platz, dass wir fast lautstark unsere Empörung darüber kundgetan hätten, doch das Ambiente hielten wir dann doch für etwas unangebracht für derartige Ausbrüche. Tony Levin…gut, Mel Collins hätten wir ja noch verstanden, aber egal. Bald erheiterte Mr. Fripp die Anwesenden im Saal höchstpersönlich mit einer Bandansprache, in der er darum bat während des Konzertes bitte keine Smartphone-Aufnahmen bzw. Aufnahmen jeglicher Art zu machen. Die Ansage endete mit einer, für Frippsche Verhältnisse fast schon euphorischen Aufforderung:“ …and now lets have a party!“
Was dann folgte kann man schon fast als historisch bezeichnen. Zum einen war es die Anordnung der Instrumente auf der Bühne: Vorne waren die drei Schlagzeuge positioniert, in der hinteren Reihe dann die eigentlichen Soloinstrumente, linkerhand mit Mel Colins, über eben Tony Levin und Michael „Jakko“ Jakszyk bis hin zu Mr. Fripp, rechtsaußen. Eigentlich hätte man mittig, mit freier Sicht zur Bühne sitzen müssen, um das Spektakel der drei Drummer nicht nur akustisch, sondern auch visuell zu bewundern. Diese perfekt aufeinander abgestimmten Arrangements, diese selbstverständlichen Übergaben an den anderen, ohne dass Dampf verloren geht, das habe ich in dieser Form noch nicht erlebt. King Crimson sind ja ohnehin schon sehr krummtaktig, doch durch einen dritten Schlagzeuger wurden nicht für möglich gehaltene Taktkombinationen und Rhythmen miteinander verwoben, die ich in dieser Variation und Kombination noch nicht gehört habe. Der Setlist zu urteilen wäre das ganze ja glatt unter „Nostalgie Show“ zu kategorisieren gewesen, doch die Reminiszenz an die 60/70er, die aus dem Hintergrund nach vorne drang, wurde, bevor dies beim Publikum ankam, noch schnell rhythmisch seziert und neu zusammengesetzt, so dass selbst die 69er Stücke so verdammt frisch klangen, dass man seinen Ohren kaum trauen konnte. Nicht zu vergessen Jakko Jakszyk, für mich einer der besten Crimson Sänger überhaupt. Kein Wunder, dass unter Belew so wenig frühes Crimson Material gespielt wurde. Er ist als Sänger nicht wirklich geeignet diese Stücke zu singen. Und da wären wir auch schon beim Höhepunkt der Show: „Epitaph“! Ein Monument von Song, wahrscheinlich wurde das Mellotron eigens dafür konzipiert und es kam natürlich auch in Stuttgart zum Einsatz. Das Drumkit mittig musste dem Mellotron weichen, welches Jeremy Stacey, nicht nur bei diesem Song, sehr gut in Szene setzte. Das dieser Song überhaupt regelmäßig während dieser Tour gespielt wird ist eine Sensation. Man muss sich nur mal vor Augen halten, dass „Epitaph“ vor dem 30. August 2015 das letzte Mal am 16.12.1969 im Fillmore West in San Francisco zu Ehren kam. Und jetzt gehört es zum festen Bestandteil der Tour. Die gesangliche Leistung von Jakko Jakszyk bei diesem Stück (und nicht nur bei diesem, man höre nur „Starless“) ein Traum! Und Fripp? Nun, der Meister steht die meiste Zeit etwas seitlich zum Publikum, so als ob er das Orchester überwacht. Er streute Läufe ein, Soundscapes und überlässt Jakko Jakszyk die schwierigen Passagen, doch das darf er natürlich! Mel Collins bereicherte die älteren Stücke genauso wie die neuen. Er darf auch solieren und meistert dies mit Bravour! Einzig Tony Levin bleibt etwas blass, oder anders ausgedrückt, er fügt sich wunderbar in den Gesamtsound ein ;-). Ein perfektes Konzerterlebnis.
Doch dann kommt, wir sitzen schon im Auto auf der Heimfahrt Richtung Frankfurt, wieder eine sms: „ 3 Drummer sind zuviel!“ Jetzt ist die Empörung groß (und wird noch größer, als wir an einer Tanke erfahren, dass es in BW nach 22:00 Uhr kein Alkohol mehr zu kaufen gibt). Wie könne man so eine Bemerkung raushauen, ohne dabei gewesen zu sein! Dann: „Mastelotto/Bruford, Collins/Thomson… 3 Drummer gab’s noch nie!“ Mich kann die Diskussion aber dann doch nicht aus der Ruhe bringen, denn ich schwelge noch in „progressiver Glückseligkeit“!
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