Antwort auf: Johann Sebastian Bach

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Nachdem ich gestern bei Edwin Fischer wieder einmal keinen richtigen Zugang zu den Clavierkonzerten Bachs gefunden habe, mich am Kopf kratzte, da ich doch immer wieder unglaublich schöne Dinge höre, sich mir der Bach’sche Groove an sich längst geöffnet hat … aber das Verständnis für das Ganze, das „Erkennen“ wenn man so will, mag sich im Gegensatz zu vielen anderen Werken* Bachs noch nicht einstellen.

Die Aufnahmen von Pierre Hantaï stammen aus dem Jahr 1993 und präsentieren die Konzerte D-Dur (BWV 1054) und d-Moll (BWV 1052) sowie das Konzert a-Moll für Flöte, Violine, Clavier und Streicher (BWV 1044), dazwischen jeweils ein Präeludien und Fugen-Paar aus dem zweiten Buch des Wohltemperierten Claviers (BWV 892 und BWV 880 um genau zu sein, also H-Dur und F-Dur). Die CD ist gut, gerade das abschliessende Tripel-Konzert ist Welten entfernt von der Version Fischers aus den Vierzigerjahren – schnörkellos, direkt, in kleiner Besetzung … doch insgesamt fehlen mir dann auch die „otherwordly“-Momente, wie es sie bei Fischer etwa im langsamen Satz von BWV 1056 zu hören gibt.

Gut, ein Blick in meine Liste, um das Gedächtnis aufzufrischen – und siehe da: da ist sie ja, die CD, die mir unverhofft (Blindkauf aufgrund der Güte anderer Einspielungen von Bertrand Cuiller) die Bach’schen Klavierkonzerte erschliessen half. So hatte ich nach der ersten Begegnung gedacht und so denke ich auch jetzt beim Wiederhören ein paar Monate später wieder – doch so richtig festgesetzt hat sich diese Erkenntnis (bzw. das oben erwähnte „Erkennen“) dann wohl doch noch nicht.

Auf der Bertrand Cuiller/Stradivaria spielten für die CD gleich vier der Konzerte ein: d-Moll BWV 1052, g-Moll BWV 1058, f-Moll BWV 1056 und A-Dur BWV 1055, Cuiller wird nur von fünf Musikern begleitet, dem Ensemble Stradivaria, das sein Vater, der Geiger Daniel Cuiller leitet. Neben diesem gibt es eine zweite Violine, eine Bratsche, ein Cello und einen Kontrabass. Das ergibt eine Klarheit und eine kammermusikalische Intimität, welche die Konzerte in ganz neuem Licht präsentiert.

Meine erste überzeugenden Begegnung mit Bach-Konzerten (abseits von den Violinkonzerten, die mich viel unmittelbarer ansprachen) war die obige Box von Café Zimmermann. Sie liegt schon länger herum – und wurde beim Hören schon eine geraume Zeit nicht mehr berücksichtigt. Ich picke da jetzt einfach mal die drei Konzerte für ein Cembalo heraus, auf CD 1 hören wir BWV 1052, auf CD 5 dann BWV 1056 und auf CD 6 BWV 1055 (es gibt überdies Einspielungen der Konzerte für zwei bzw. drei Cembali BWV 1061 bww. BWV 1063 und BWV 1064 – BWV 1062 fehlt, was möglicherweise daran liegt, dass es eine Bearbeitung von BWV 1043, dem Konzert für zwei Violinen ist … es fehlt auch BWV 1056, das durchaus gepasst hätte, aber als Bearbeitung des Brandenburgischen Konzertes BWV 1049 wohl ausschied – dieses ist in der Box wie alle anderen Brandenburgischen Konzerte zu finden).

Die Zartheit der langsamen Sätze kommt übrigens, dünkt mich, bei Cuiller wie auch bei Céline Frisch (der Cembalistin mit Café Zimmermann) sehr schön zum Vorschein (bei Hantaï weniger) – der Kontrast ist aber trotz gleicher Besetzung, doch recht gross, Café Zimmermann bieten streckenweise fast schon Rock’n’Roll-Bach. Das hat natürlich unbedingt seine Berechtigung, nicht nur bei Vivaldi sondern eben auch bei Bach.

 

*) Um ein paar Favoriten zu nennen: das Kantatenwerk, die beiden Passionen, die Sonaten und Partiten für Violine solo, die Suiten für Cello solo … mit den Violin- und Cellosonaten (bzw. den Claviersonaten mit obligater Violine etc.) tue ich mich im Vergleich auch noch etwas schwerer, aber habe da inzwischen Aufnahmen (Chiara Banchini/Jörg-Andreas Bötticher für die Violinsonaten, für die Cellosonaten alte Schule: Glenn Gould/Leonard Rose … an Gould/Laredos Violinsonaten mache ich mich denn auch bald mal wieder).

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