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11. 1925 – The Story of a Fatal Peace (1915)
keine dt. Ausgabe
Dass dieser schmale Band – der riesigen Wallacemania zu Beginn der 60er zum Trotz – nie ins Deutsche übersetzt wurde, ist wenig verwunderlich, hat man es doch mit einem waschechten, saftigen Stück antideutscher Propaganda zu tun.
Die Story: Als der immer weiter eskalierende erste Weltkrieg für alle Beteiligten, insbesondere aber für das deutsche Reich und Österreich-Ungarn, zunehmend zu einer leidvollen Tortur wird, begibt man sich, nicht ohne Zähneknirschen, in Friedensverhandlungen, deren Ergebnis – strenge Auflagen bei der Remilitarisierung, Rückgabe besetzter Gebiete etc. – zu einer veritablen Schmach für die Deutschen gerät. Unbeobachtet von den, nun allzu sehr an den trügerischen Frieden gewöhnten, ehemaligen Feinden rüsten diese, unter brutaler Ausbeutung der Arbeiterklasse, aber heimlich doch wieder auf, nur ein Ziel vor Augen – die Welt erneut in Brand zu stecken. (Was für einen unangenehmen Beigeschmack dies alles für einen Nachgeborenen heute hat…) Zum Glück kommt ein findiger Verleger den diabolischen Machenschaften auf die Schliche.
Klingt durchaus optimistisch, ist es aber nicht: So sehr wie hier alle wichtigen Personen auf Krieg als unumgänglichen Ursprung jeglichens zivilisatorischen Fortschrittes beharren, wundert es dann doch nicht, dass Wallace ausnahmsweise ein Happy End verweigert – Großbritannien wird überrollt, niemand kann es verhindern, niemand weiß, wie es weitergehen wird – der Roman hört einfach auf.
Das die Geschichte eigentlich Frieden im Herzen trägt passt da ganz gut – seinen ignoranten Landsleuten, die von den Gräueln des Krieges weitgehend verschont blieben, vermittelt unser Held anhand der Massaker in Belgien das Leid der gegenüber deutschen Annäherungsversuchen eher kritischen einstmaligen Verbündeten, seinem deutschen Gegenstück legt er am Ende nahe seine Ideen aufzugeben (nicht wissend, dass alle Räder schon lange in Bewegung gesetzt worden sind) und doch wirkt auch er in seinem Eifer – wie auch ein britischer Professor, der, um seinen gefallenen Sohn irgendwann einmal zu rächen, seine einzige Aufgabe in der unermüdlichen Tüftelei an militärischen Wundermittel zu sehen scheint – ein ums andere Mal nicht weniger radikalisiert als die rachsüchtigen Deutschen. Das kalte Klima zwischen ehemals im Kampf vereinten Nationen, jeder nutzte nach dem Ende der Kämpfe schnell die Schwäche des Anderen zum Aufpolieren der eigenen Wirtschaft und wer dazu nicht mehr in der Lage war, fühlt sich nun berechtigterweise abgehängt, tut das Übrige. Völkerverständigung, Aufbruch zu Neuem, statt Rachsucht, das ist am Ende des Tages Wallaces Kredo. Dementsprechend findet er immer wieder Platz für kleine Zärtlichkeiten und wenn die sehr enge Beziehung zwischen dem Professor und seinem Diener – stets obsessiv auf der Suche nach Deutschen und im Übrigen eine Art früher Ahn des unheimlichen blinden Jacks aus den toten Augen von London – nicht zumindest ein bißchen Homoerotik ausstrahlt, dann will ich verdammt sein.
Leider wird das Potential des Romans aber nicht vollständig realisiert – die enorme Kürze (mein Taschenbuch zählt gerade mal 128 Seiten) zwingt immer wieder zu längeren Passagen vollgestopft mit Exposition. Dennoch eine runde Sache.
lathoStimmt, klingt super.
Ist super, die immense Trefferquote bei Wallaces fast schon fließbandartiger Arbeit erstaunt mich immer wieder aufs Neue.
zuletzt geändert von nick-longhetti--
We are all failures, at least the best of us are.