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@soulpope, @redbeansandrice: „Sonny on Impulse“ … klar ist das beglückend, wie alles von Rollins bis in die Sechziger … aber es zählt bei weitem nicht zu den Top-Favoriten hier. Bei Euch schon? Ist mir etwas zu zahm, zu kurz, zu brave Rhythmusgruppe … in der grösseren Entwicklung (hin zu den Live-Aufnahmen mit Don Cherry, hin zum unfassbaren Bootleg von 1967 mit Ruud Jacobs/Han Bennkink (Arnhem 1967) scheint mir „On Impulse“ eher ein „side step“, um nicht zu sagen: Stagnation, Ausruhen auf (oder eher: Zurückkehren zu) längs Vertrautem. Aber keine, Frage, das Album macht dennoch Spass.
redbeansandriceist witzig wie Spirits in den Liner Notes quasi als die Krönung von Westons Alterswerk gefeiert wird (nach der Portraits Serie)… konnt ja keiner wissen, dass noch ein Dutzend Alben folgen würde (Stand jetzt)… nichtsdestotrotz ist Spirits für mich schon eins der besten Weston Alben (was glaub ich nicht jeder so sieht). Bei Earth Birth bin ich mir weniger sicher… von mir aus hätt man dieses etwas brave Streichorchester lieber durch ein handverlesenes, etwas ruppigeres Streichquartett ersetzt… tolle Momente hatte es trotzdem (und erinnert mich immer wieder – im Guten wie im Mittelguten – an Bird with Strings)
Ich bin da auch eher einer der Zweifler, mir ist „Sprits“ zu langfädig, die „Summe“ wurde wohl angepeilt aber genau darum nicht erreicht – weil das Ding zuwenig konzentriert und fokussiert ist. Aber ich habe es lange nicht mehr gehört. Meine Favoriten sind „Volcano Blues“ (Teddy Edwards!) und „Saga“. Das Streicher-Album ist wohl das schwächste aus der ganzen Reihe, aber hübsch finde ich es dennoch. Wenn ich von Reihe rede würde ich die Alben von den drei „Portraits“ bis und mit „Spirit! The Power of Music“ einbeziehen, was danach folgte, ist ja wieder anders bzw. Nachträge, Anhängsel (aber gerade „Zep-Tepi“ mit dem Kern-Trio ist klasse, und Weston/Billy Harpers gemeinsame low end theory auf „The Roots of the Blues“ ist unbedingt hörenswert, „Live in St. Lucia“, das neue Solo-Album von „Ancient Future“ … „The Storyteller – Live at Dizzy’s Club Coca-Cola“ könnte man allenfalls nochmal als Fortsetzung der Reihe gelten lassen, ansonsten hat das Gitanes-Team in dem Jahrzehnt von 1989 bis 1999 ganze Arbeit geleistet und mit dem Meister einen erkennbar kohärenten und dennoch sehr reichhaltigen Werk-Korpus geschaffen.
Die Summe ist vielleicht aber bereits „Tanjah“ von 1973 – eigentlich die Blaupause für die ganze Reihe, wenigstens für die Alben mit Bläsern. Ein umwerfendes Album u.a. mit Ray Copeland, Julius Watkins, Norris Turney, Billy Harper, Budd Johnson, Ahmed Abdul-Malik und Ron Carter. Melba Liston war da auch bereits an Bord.
Ich war gestern todmüde, legte mich früh hin und hörte dreimal am Stück das erste Album hieraus, jetzt bin ich beim zweiten Durchgang des zweiten:
Hatte die Box an sich grad nicht kaufen wollen, aber die Neugierde war dann doch grösser, und ich bin froh darüber, denn ich bin, in einem Wort: begeistert! Damals als die Alben erschienen war ein Jahrgangsfreund am Gymnasium (mit dem ich die ersten beiden Jahre dort in einer Klasse war) sehr angetan von „You Never Know“, und kurz nachdem er damit aufkreuzte, erschien auch schon „Time Being“ (1993 bzw. 1994). Ich fand keinen Zugang, das schien mir zu verkopft, langweilig … heute begreife ich wohl auch, warum. Das ist Musik auf der Suche nach „non-events“ (wie Erskine im Booklet sagt), quasi ein Bruder im Geiste von Paul Bley, aber – vermutlich ohne direkte Linie, kenne John Taylors Geschichte nicht so gut (der Bill Evans-Bezug liegt auf der Hand, ich vermute daher, dass Taylor eher auf die Phase zurückgeht, als Evans noch, salopp gesagt und aus Bley-Sicht, der bessere Bley hätte werden können (wovon Bley, der faule Hund, ja tatsächlich Angst hatte). Gerade Taylor war es aber, der gerne mehr tolle Changes und Arrangements eingebracht hätte, wie Erskine berichtet, was denn, gepaart mit Erskines Drang hin zum Folkloristischen, „with simpler song forms and trying to trust the music that much more“ (tolle Formulierung!), nach dem vierten Album zur Auflösung des Trios führte. Der Drang zum Minimalismus, zur Reduktion, zum Weglassen jeglicher Höhepunkte, hin zu einer fliessenden, quasi ereignisarmen Musik, scheint primär von Erskine aus gekommen zu sein, in Taylor und Danielsson fand er hervorragende Partner, ein Trio – so wird er im Booklet auch zitiert – das nicht das Beste aus den jeweils anderen herausholte, aber möglicherweise „the most explorative and interesting“.
Ich reihe diese Aufnahmen ein beim Beckett-Jazz von Annette Peacock, wie ihn Bley (und Marilyn Crispell später) perfektioniert haben, wie ihn wohl auch Carla Bley mitgeprägt hat (da bin ich mir weniger sicher, das ist dann die Schiene, die auf Jimmy Giuffre zurückgeht – wie dort wiederum die gegenseitige Befruchtung zwischen diesem und den Bleys lief, weiss ich nicht, aber ich halte Giuffre eh für den Schutzpatron und Übervater dieses „non-event“ Jazz.
(Und ja, falls ich diesen Post später mal noch etwas ausbaue, bringe ich ihn in den ECM-Thread hinüber, und sei es nur, um die Aufmerksamkeit – und Meinung – vorgartens dazu einzuholen, der ja derzeit noch im Urlaub ist).
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