Antwort auf: 04.08.2016: My Life 55 | Unerhört | gypsy goes jazz 36

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WARNE MARSH QUARTET
2. Touch and Go (Marsh–Foster–Parlato–Tirabasso)

Warne Marsh (ts), Gary Foster (as), Dave Parlato (b), John Tirabasso (d)
Herrick Chapel Lounge, Occidental College, Los Angeles, California, 25. Oktober 1969
von: Ne Plus Ultra (Revelation; CD: Hat Hut)

Der nächste Musiker ist ein alter Bekannter. Wir hörten von Warne Marsh schon in der Sendung, die Lennie Tristano und dem New Yorker Cool Jazz gewidmet war. Marsh stammte aus Kalifornien, wohin er Mitte der Sechzigerjahre zurückkehrte und zunächst zurückgezogen lebte. Wie Ortega nahm auch er in den späten Sechzigern für das kleine aber feine Label Revelation ein faszinierendes Album auf, das möglicherweise zum definitiven Statement von Marsh leisen aber immensen Kunst wurde – es trägt den passenden Namen „Ne Plus Ultra“.

In Sachen rhythmischer Nuancierung dürfte man in der Tat lange suchen, um einen Marsh ebenbürtigen Musiker zu finden. Mit Gary Foster hat er einen geeigneten Partner gefunden, mit der er seit 1966/67 in privaten Sessions spielte – und der nach dem Vorbild von Marshs früherem Partner Lee Konitz geriet. Doch ist diese neue Musik keinesfalls ein Abklatsch des älteren coolen Erfolgsgespannes. Durch das erneute fehlen des Klaviers (und der bei Tristano fast immer präsenten Gitarre) wirkt die Musik luftig, leicht, transparent. Und rasch wird auch deutlich, dass sie auf viel freieren Pfaden wandelt: das Tempo verändert sich immer wieder, wird schneller, langsamer, die Zeit wird gedehnt, während die Saxophone sich ineinander verflechten, der Bass sich in den Dialog einklinkt, während das Schlagzeug auf überaus ansprechende Weise dafür besorgt ist, dass die Musik dieses Quartetts nicht in alle Richtungen auseinanderfliegt. Hier greift die Kritik an Tristanos rhythmisch starren Formen endgültig nicht mehr und es bleibt auch nach über 45 Jahren faszinierend, zu hören, wie sich in dieser Gruppe Melodik und Freiheit vermählen, wie bei allen blitzschnellen Einfällen und Wendungen eine grosse Geschlossenheit, wie bei grösster Offenheit eine hohe Dichte erreicht wird.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba