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Anonym
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Das hätte ich mir sogar noch schlimmer vorgestellt. Sind ja doch ein paar HIP-Aufnahmen dabei, und mehrmals Kleiber jun. Immerhin. Das mußte man den Briten aber auch jahrzehntelang erklären, was sie gut finden sollten, sonst würden die heute noch Folk Songs mit Peter Pears auf Platz 1 setzen.
Ich nehme an, daß – wie bei solchen Gelegenheiten üblich – eine Vorauswahl seitens der Redaktion stattfand und daß der geneigte Abstimmende dann nur noch aus diesem Pool seine Präferenzen darlegen konnte. Zweimal Wagner in den Top 10. Da ich ein Jahrzehnt lang nicht viel anderes als Wagner gehört habe, dazu eine kurze Bemerkung.
Der Solti-Culshaw-Ring ist jahrzehntelang so unglaublich gehypt worden, daß vielen schlicht keine andere Wahl blieb als ihn traumhaft zu finden. Das ist er auch – zu Teilen. Die „Götterdämmerung“ ist flawless, eine der absolut maßstabsetzenden Einspielungen im Wagner-Bereich. Ich glaube auch kaum, daß sie irgendwann einmal überboten werden könnte. Das „Rheingold“ ist ehrenhaft, der „Siegfried“ krachig und kernig. Die „Walküre“ ist die große Achillesverse in dieser Ringaufnahme. Es gibt wundervolle Momente (Regine Crespin) und grauenhafte (Hans Hotter, James King, teilweise sogar Birgit Nilsson). Orchestral geht vieles unter aus der Partitur, wer die Feinheiten nicht aus den Ohren verlieren möchte, dem will ich nachdrücklich Karajans „Walküre“ empfehlen.
Furtwänglers „Tristan“ genießt in der Szene einen ebenso legendären und dadurch geradezu unanfechtbaren Ruf wie Soltis Ring. Ich sehe das ganz anders. Es ist ein sämiges, verwaschenes, oberflächliches Musizieren, das wir hier hören. Und nicht nur, weil die 60-jährige Flagstad während der Aufnahmen Strickarbeiten für ihre Enkelkinder durchgeführt hat. Kleibers „Tristan“ dagegengehört wirkt (trotz des zu alten DiFiDi) wie ein anderes Werk. Plötzlich wird alles im Detail hörbar, plötzlich wird alles dramatisch im Gegensatz zur symphonischen Breite Furtwänglers.
Bei solchen Polls finde ich es immer witzig, welche Werke repräsentiert werden und in welchem Verhältnis das jeweilige Werk zur jeweiligen Aufnahme, um die es ja vordergründig zu gehen scheint, gesehen wird. Ein paar Takte Hildegard von Bingen gegen die gesamten Beetsonaten unter Schnabel. Bäm! Glücklich, wer da feingeistig zu kalibrieren weiß.
Alles in allem interessantes Tableau.
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