Re: Beyoncé – Lemonade

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irrlicht
Nihil

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Jan LustigerWie sich Beyoncé da jetzt genau positioniert, weiß ich nicht, weil ich das Album noch nicht gehört habe. Aber ihre Wahl, eine subversive Aussage etwa durch Black-Panther-inspirierte Outfits zu verbildlichen, kann man durchaus mal hinterfragen, denn Black Nationalism ist nun mal eine höchst fragwürdige Ideologie, die sich de facto für Rassentrennung ausspricht.

Ich finde captain kidds Gedankengänge auch nicht unbegründet, die Sache ist nur, dass sie – wie so oft, das war bei Lamars Album ja nicht anders – ein eher ungeeignetes Ziel treffen. Beyoncé singt eben nicht „We’re the new america“, wie es Rihanna getan hat, Beyoncé echauffiert sich auch nicht wie West bei den Grammys darüber, dass Schwarze nicht die Preise abräumen.

Um das an „Formation“, wenn Du es schon erwähnst, zu verdeutlichen: Der Track hat einen Prolog eines youtube-Videos des schwarzen Künstlers Messy Mya, der fragt „What happened at the New Wil’ins?“ (dass Mya selbst 2010 ermordet wurde, sollte man dazu wissen). Beyoncé nimmt Bezug zu den Ereignissen nach Hurrican Katrina, mit all den Auswirkungen. Den Vorwurf der Rassentrennung, die Frage, ob schwarze Menschen bei der Evakuierung benachteiligt und völlig im Stich gelassen wurden, ob eine mediale Hetzkampagne gegen Schwarze entbrannt ist, die sie als Diebe inszeniert. Das ist der Einspieler des Tracks. Beyoncé arbeitet hier viel mit Doppeldeutigkeiten und es gibt eine ziemlich eindeutigen Haltung mit der Zeile „You/I just might be a black Bill Gates in the making“. Verkürzt: Jeder kann es schaffen, berühmt und reich zu werden, auch Schwarze. Schwarze können gleichsam ihr Vermögen nutzen, um zu helfen (wie es die Carters selbst tun, wie es Gates tut). Ich finde der Track vereint aber noch mehr, speziell die letzte Zeile „the best revenge is your paper“ – ist das der Bezug zum Geld, der Anteilnahme erlaubt? Oder ist die Ansage noch konkreter: Die beste Rache ist die Partizipation, der Wahlzettel selbst, gerade in Bezug auf die Präsidentschaftswahlen? Ich bin mir immer unsicherer, ob Beyoncé sich hier nicht sogar klar gegen Trump positioniert (wie es gegenwärtig viele schwarze Künstler der HipHop/R’n’B Szene tun) und in Bezugnahme auf dessen Reichtum das Thema Besitz hier so ausschmückt. Und eine Veranstaltung wie den Super Bowl als große Bühne nutzte – mit entsprechendem Outfit und „in formation“. Ich neige auch dazu das „get in formation“ bisweilen als „get information“ zu lesen.

Vor dem Hintergrund des oben Erwähnten finde ich eine entsprechende Haltung, ja Stolz, alles andere als verkehrt. Beyoncé macht das deutlich – das Haar ihrer Tochter, die „Jackson Five nostrils“, die Nase, das schätzt sie. Ich finde ihre Worte sehr bedacht gewählt: Da schwingt Gedenken an die Kreolen von Louisana mit, da an den Tod von Trayvon Martin – und dann der Begriff „Texas bama“, der hier gut erklärt ist. Und dann am Ende: „Slay trick or you get eliminated“.

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Hold on Magnolia to that great highway moon