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08. The Four Just Men (1905), The Just Men #1
dtsp. Ausgabe „Die vier Gerechten“ erstmals 1927 bei Phaidon, Wien
And this is how it all began:
Über Wallaces Debüt kann man schlecht schreiben, ohne auf das Gewinnspiel einzugehen, das aus einem veritablen Bestseller ein verheerendes Verlustgeschäft (wie oft kommt so etwas auch vor…) machte.
Im Selbstverlag setzte er selbstsicher Preisgelder für diejenigen aus, die die Auflösung erraten konnten, vergaß aber eine Beschränkungsklausel – die Folge: ein Bankrott, aus dem er nur entkam, weil seinem Arbeitgeber bei der „Daily Mail“ der Ruf des Blattes am Herzen lag. Seinen nächsten Roman konnte Wallace erst drei Jahre später bei einem Verlag unterbringen.
Mit der Geschichte des Buches vertraut, witterte ich direkt eine trockene Fingerübung, die nur auf den finalen Twist und das Gewinnspiel hinarbeit, lag aber falsch, sehr falsch.
Alles ist noch ungewöhnlich handlungslastig, aber die Ambivalenzen, die Wallaces Werk auszeichnen sind auch hier schon vorhanden, und wie:
Drei wohlhabende Weltbürger mit ausgeprägtem, aber sehr eigenem, Gerechtigkeitssinn planen die Ermordung des britischen Außenministers, um dessen geplantes Abschiebegesetz (wie modern das plötzlich klingt…) für Vertriebene und geflohene Systemkritiker zu verhindern. Ein simpler Fall von Tyrannenmord könnte man meinen, aber als der schurkische Politiker uns dann vorgestellt wird, entpuppt er sich schlicht als Spiegelbild seiner Häscher. Ein Idealist, der meint das Richtige zu tun, den seine Konsequenz von seinen Mitmenschen und -parlamentariern isoliert und der sich nicht erpressen lassen will. Erstaunlicherweise befasst sich der Roman eine ganze Weile überwiegend mit seinem Innenleben, handelt er moralisch, ist ein Gesetzesentwurf mehr Wert als sein Leben und ist das überhaupt was die Wähler wollen? Die wollen anscheinend etwas ganz anderes; dreht sich schon nach der ersten Ankündigung des geplanten Verbrechens alles nur noch um dieses, sind die Menschen auf der Insel später nur noch ein mitleidloses Kollektiv, das, angeheizt durch eine reißerische Berichterstattung, sich nicht mit den moralischen Dimensionen der Tat beschäftigen will, sondern nur auf eines wartet:
Wann fließt denn nun endlich das Blut?
Wie Wallace die edwardianische Ära zeigt ist ohnehin sehr interessant:
Die Gerechten des Titels entpuppen sich – obwohl doch stets deutlich ist, bei wem die Sympathien des Autors liegen – als rechte Schnösel (sind damit aber bei weitem nicht allein), gefallen sich als „göttliche Richter“ und lehnen jeden Vergleich mit gewöhnlichen Verbrechern strikt ab. Der joviale Umgang mit dem zur Verstärkung angeheuerten spanischen Verbrecher, bringt den wohldurchdachten Plan sogar beinahe zum Erliegen. Denn während es denn drei Priviligierten um ihre persönliche Auffassung von Gerechtigkeit geht, ist dieser dann doch mehr am Überleben und einer menschenwürdigen Existenz gelegen – Probleme, von denen seine „Partner“ kaum etwas verstehen. Und nicht nur hier tut sich eine Diskrepanz zu dem propagierten Einsatz für die Unterdrückten und Besitzlosen auf. Später kommt ein armer Taschendieb an Informationen, die er besser nie erfahren hätte und versucht sein Glück als Amateur-Detektiv – unsere Helden töten ihn ohne jeden Skrupel. Wer die Welt verändern will, der hat keine Zeit für Mitleid. Sehr gut!
Nachfolgende Romane mit diesen, vielleicht bekanntesten, Figuren des notorischen Vielschreibers sollten diese düsteren Implikationen im Übrigen aufgeben, dafür haben sie dann andere Vorzüge.
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We are all failures, at least the best of us are.