Re: Edgar Wallace

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nick-longhetti

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Kaum Zeit zum Lesen gehabt und doch zum längsten Schinken in Wallaces Werk gegriffen – aber jetzt geht es weiter:

06. The Green Archer (1923)
dt. Ausgabe „Der grüne Bogenschütze“ erstmals 1928 bei Goldmann, Leipzig

Nicht nur die Länge überrascht seinem möglicherweise bekanntestem Roman, sondern auch der ungewohnte Ernst, die Brutalität und die diesmal augenscheinliche Komplexität, hinter der clevere Meta-Ebenen etwas zurückbleiben. Bei den hier bislang besprochenen Büchern blieben die ensteren Implikationen stets für aufmerksamere Leser reserviert, hier ist nun die Handlung an sich schon nicht so locker wie gewohnt gehalten – wenig verwunderlich bei den verhandelten Themen. Eine junge Frau sucht ihre Mutter und findet sie eingesperrt im Kerker des Mannes, den sie einst verschmähte – männliche Besitzansprüche an Frauen, hier ein sehr wichtiger Aspekt. Abel Bellamy ist wohl eine der eindrucksvollsten Schurkenfiguren in Wallaces Repertoire er ist roh, grausam, kalkulierend und hängt in seinem zur Festung umfunktionierten Schloss Fantasien über das „gerechtere“ Justizsystem des Mittelalters sowie unverhohlen sozialdarwinistischen Theorien nach, dennoch wirkt er, sofern er etwas von anderen möchte, hin und wieder geradezu charmant, humorvoll und als er seine Feinde gefangen hat, da stimmt er doch glatt vor Freude ein kleines Liedchen an. So sehr seine archaische Maskulininät im krassen Gegensatz zu den modernen Helden des Romans steht, so sehr ähneln sie sich doch in manchen Punkten. Um sich seinem Ziel, ebenfalls die geliebte Frau, zu nähern, setzt auch der Polizeibeamte Featherstone auf die Wirkung der Gewalt – als Valerie Howett auf der Suche nach ihrer Mutter in die Krallen vom Bellamys Handlagern fällt, foltert er schlicht einen von ihnen um sie wiederzubekommen. Seine Eifersucht macht es nicht besser und am Ende handelt er die obligatorische Hochzeit mit ihrem Vater aus. Auch der Reporter Spike Holland scheint mehr an einer guten Story interessiert als am Wohlergehen seiner Freunde, eine Abrechnung des ehemaligen Reporters Wallace mit den Erfordernissen großer Auflagen?
Der Dritte im Bunde nimmt sich da ganz anders aus und dass Wallace den von allen als schwächlicher Eurasier oder direkt als „crawling nigger“ bezeichneten Julius Savini – Sekretär Bellamys und gerissener Kleinkrimineller – graduell und erst klammheimlich zum eigentlichen Helden – Featherstone ermittelt ab der Hälfte im Grunde genommen nur noch etwas vor sich hin – werden lässt, das ist schon ein starkes Stück. Dennoch redet man auch nach einigen waghalsigen Heldentaten lieber über ihn als mit ihm. Nur seine Frau, die sich wie er mit kleinen Diebereien über Wasser halten muss und die mit Abstand liebenswerteste Figur des Romanes ist – ihre Konsequenz und Souveränität beeindrucken immer wieder- ist da anders. Und sie ist es auch die das zweite große Thema des Romanes mitantreibt: Freiheitsentzug.
Ihre Schilderungen von Aufenthalten in verschiedenen Gefängnissen werden nie wirklich konkret, aber das müssen sie auch gar nicht. Sie, wie alle anderen ehemaligen Gefängnisinsassen der Geschichte, möchte nie wieder eines von innen sehen, einer von Bellamys Handlangern würde gar den Tod vorziehen. Und auch der Ursprung der Ereignisse liegt in Grausamkeiten, die ein, auf Geheiß Bellamys, unschuldig Verurteilter in einem berüchtigten Gefängnis erdulden musste. Der Unterschied zwischen diesen abgesegneten Bestrafungen und der Vorliebe des alten Schurken für Kerkerhaft und grausame Bestrafungen droht zu verschwimmen – die Polizisten des Romans verteidigen das eine ebenso sehr, wie sie das andere verabscheuen. Diese Ambivalenzen und Grauzonen sind der Treibstoff der Erzählung. Hervorragend.

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We are all failures, at least the best of us are.