Re: Konzertimpressionen und -rezensionen

#9788281  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 67,059

17.4. abends, im kleinen Saal der Tonhalle Zürich:

Kammermusik-Soiree

Isabelle Faust – Violine
Jean-Guihen Queyras – Violoncello
Alexander Melnikov – Klavier

Robert Schumann
Klaviertrio Nr. 1 d-Moll op. 63

Salvatore Sciarrino
Trio Nr. 2 (1987)

Franz Schubert
Klaviertrio Nr. 1 B-Dur op. 99 D 898

Zugabe:

Robert Schumann
Klaviertrio Nr. 2 F-Dur op. 80 – III. In mässiger Bewegung

Sehr schöner Abend, ganz wie erhofft – und dass es nach der Pause Schubert statt des angekündigten ersten Klaviertrios von César Franck gab war am Ende wohl eher zu begrüssen (obgleich ich schon an Francks Trio interessiert gewesen wäre, zumal ich die vier frühen Klaviertrios nicht kenne). Wie die drei gemeinsam muszierten war wunderbar anzuschauen und anzuhören – sie tun das ja nicht als zusammengewürflete „All Stars“ sondern mit Plan, Absicht und Beharrlichkeit seit Jahren. Es herrschte sichtlich gelassene Stimmung auf der Bühne, Queyras machte zu Beginn eine Ansage zur Programmänderung (anscheinend lagen Zettel auf, aber bis ich aufkreuzte waren die weg), als sie in der ersten Hälfte zu Sciarrino wiederkehrten, hatte Faust irgenwelche Probleme mit der unförmigen überformatigen Partitur – Melnikov grinste im Hintergrund und hielt sein Tablet in die Höhe … das Stück von Sciarrino kam beim Rentnerpublikum (in 10 Jahren werden noch 20 Leute da sein, um an solche Konzerte zu gehen … aber gut, bei Orchesterkonzerten oder Klavier-Rezitalen sieht es besser aus, Kammermusik scheint was für alte bis scheintote Leute zu sein, leider) nicht gut an, es gab Getuschel, etwas Gehuste, Rumgerutsche auf den Sitzen – aber ich fand es klasse, auch mal was Zeitgenössisches (na ja, 1987, immerhin) im Konzert zu hören. Grossteils bestand es aus Obertönen der Geige und des Cellos, die allerlei Reminiszenzen an Alltagsgeräusche und Vogelgezwitscher weckten und immer wieder ganz bezaubernd zusammenfanden und -klangen.

Das romantische, intensive Schumann-Trio und danach das irgendwie heiter-abgeklärte D 898 von Schubert mit seinen üppigen Beethoven-Anklängen ergaben einen tollen Kontrast. Schumann brütend, dicht, manchmal ziemlich dissonant und komplex, Schubert daneben für einmal ziemlich heiter (klar, ich mag D 929 auch etwas lieber, aber am Ende ist es doch fast schon beruhigend, auch vom späten Schubert noch ein Werk zu haben, das nicht so düster und brütend ist, nicht?) und klar, noch nahezu klassisch, oft sehr tänzerisch und leicht – und raffiniert in der Aufteilung der Stimmen: Während Schumann eher alles zugleich aufschichtet, treten vor allem Geige und Cello bei Schubert immer wieder – manchmal abrupt und überraschend – in den Dialog.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba