Re: 04.02.2016 My Life 51 | Raw Air 94 | gypsy goes jazz 27

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SONNY ROLLINS & COLEMAN HAWKINS
4. All the Things You Are (Jerome Kern–Oscar Hammerstein II)

Sonny Rollins (ts), Coleman Hawkins (ts), Paul Bley (p), Bob Cranshaw (b), Roy McCurdy (d)
RCA Victor Studios, 155 East 24th Street, New York, New York, 20. Februar 1963
von: The Complete Sonny Rollins RCA Victor Recordings (BMG, 6 CD, 1997; ursprünglich auch „Sonny Meets Hawk!“, RCA, 1963)

Sonny Rollins und Coleman Hawkins – eine überraschende, aber perfekt funktionierende Symbiose, die wir schon in der Sendung über Coleman Hawkins und seine Schüler gehört haben. Bley spielt ein kurzes Intro – eine klassische Bebop-Sache. Dann stellt Hawkins das Thema vor, mit luftigem Ton, der streckenweise fast ein wenig an seinen Meisterschüler Ben Webster gemahnt. Rollins umgarnt seine Linien in den A-Teilen des Themas, für den B-Teil fällt die Rhythmusgruppe in einen rumpelnden Latin-Beat. Hawkins legt dann mit dem ersten Solo los, zunächst eine Spur zurückhaltend, doch bald greift er in die Vollen, bläst gegen Ende des Solos Linien, die nahezu atonal klingen. Bley füttert ihn sparsam mit Akkorden, es ist vor allem Bob Cranshaws Bass, der ihn trägt – doch Hawkins könnte das auch ganz allein, ohne die anderen.

Und dann Paul Bley – ein Solo, das den Gang des Jazzpianos geprägt hat. Er bricht aus, spielt mit kurzen Motiven, repetiert sie, schreitet zugleich aber stets voran, assoziativ ergibt sich eine Idee nach der anderen, stets folgerichtig, fast immer ökonomisch, selbst die paar Läufe wirken noch wie stenographiert. Es herrscht die völlige motivische Freiheit, wie sie auch Sonny Rollins anstrebte, wie sie später von Keith Jarrett in seinen Solo-Konzerten fast schon ins Exzessive getrieben wurde (dies nun war Bleys Sache nie, seine blieb Musik stets knapp, präzis, sparsam). Rollins folgt dann – angespornt von Bleys phantastischem Solo, aber auch von Hawkins, an dem er sich auf dem ganzen Album abarbeitet. Keine leichte Aufgabe, aber Rollins meistert sie selbstverständlich mit Bravour und legt noch einen obendrauf, er reizt die Changes nicht nur aus sondern bricht aus, setzt sich auch in rhythmischer Hinsicht immer wieder über die Rhythmusgruppe hinweg, die jedoch äusserst alert reagiert. Nicht nur Bley bietet eine tolle Begleitung, auch Bob Cranshaw reagiert immer wieder unmittelbar auf Rollins’ Spiel, während McCurdy für einen steady Beat sorgt. Hawkins stösst wieder dazu und die beiden Tenöre präsentieren nicht das Thema sondern spinnen ein dichtes Netz, das immer wieder auf die Motive von Jerome Kern zurückgreift, bevor das Stück – leider! – mit einem Fade-Out ausklingt.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba