Re: Berlinale 2016

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sonic-juice
Moderator

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Auf einmal (Aslı Özge)
Die Regisseurin zeigt uns deutsches Kleinstadtleben, bevölkert von glatten, konstruierten Katalog-Figuren aus der Mittelschicht ohne Humor, Stil, Geist, Individualität und interessante Gedanken, mit denen man keine fünf Minuten zusammen auf einer Party stehen möchte, nun aber knapp 2 Stunden Filmzeit verbringt. Nichts gegen Milieustudien, meinetwegen auch unoriginelle, wenn sie lediglich Ausgangspunkt oder Folie einer interessanten Entwicklung sind. Wie so oft bei deutschen Filmen habe ich aber eher das Gefühl, dass hier die Erzählung und Figurenwelt nur dazu dient, exemplarisch irgendwelche Thesen, Haltungen, gesellschaftlichen oder historischen Vorgänge zu illustrieren. Handwerklich anständig, aber unaufregend gefilmt, geht es zunächst wie ein Fernsehkrimi los mit ungeklärtem Todesfall und seinen gesellschaftlichen Folgen für den Verdächtigen, im letzten Viertel wird dann aber noch schnell auf unangenehm gehetzte und schematische Weise ein Perspektivwechsel vorgenommen, der wohl für einen Überraschungsmoment sorgen soll. Was bis dahin ein lahmer, freudloser, steriler – wie im deutschen Kino üblich – überaus unspektakulärer, aber passabler Krimiversuch war, wird dann richtig ärgerlich. Der Berlinale-Text meint, „Fragen um Schuld und Moral, Gerechtigkeit und Scheinheiligkeit werden verhandelt“ – und wenn ich höre, dass im Kino etwas „verhandelt wird“, kriege ich schon das Grausen. Suchsland meint gar, der „facettenreiche Psycho-Thriller“ hätte im Wettbewerb laufen müssen. Er schuldet mir jetzt 2 Stunden Lebenszeit. Ach ja, und wer als Regisseur glaubt, durch den Einsatz eines alten Rammstein-Songs (Keyboard, Rotorengeräusch, Rrrrrrummms!) noch irgendwelche originellen musikalischen Akzente setzen zu können, hat offenbar sehr viel verpennt in den letzten 20 Jahren.

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