Re: Musikbewertung und Diskussionskultur

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go1
Gang of One

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Slightly off-topic:

„Call the Doctor“ handelt davon, zu seinem eigenen Begehren zu stehen, auch wenn es gesellschaftlich missbilligt wird – ein gutes Thema für einen Popsong. Es ist gesellschaftlich bedeutsam und kann je nach Lebenslage für den Hörer, die Hörerin persönlich wichtig werden. In diesem Zusammenhang erhält auch die erste Strophe ihren Sinn. Aber wie das so ist mit Songtexten: lyrics sind keine Gedichte; man soll sie nicht lesen, sondern hören. Es kommt darauf an, wie sie vorgetragen werden; entscheidend sind die Stimme und ihr Einsatz. Und für Sleater-Kinney ist unter anderem charakteristisch, wie Corin Tuckers Stimme in die Ohren springt.

Wenn man zwei, drei Tracks gehört hat, kann man entscheiden, ob man mit der Musik einer Band prinzipiell etwas anfangen kann oder nicht (kommt aber darauf an, welche Tracks man erwischt hat). Man kann aber noch nicht beurteilen, was diese Band ist, was ihre Kunst ausmacht. Wer anhand solcher Eindrücke große Töne spuckt, macht sich lächerlich; er zeigt der Welt, dass man ihn nicht ernstnehmen muss. Sleater-Kinney machen keine Musik, die man nebenbei hören könnte; bei ihrer Musik geht es um Intensität, um Gefühle, um Sehnsucht, Begehren, Wut, Zusammenhalt. Es geht darum, wie die Gitarren von Carrie Brownstein und Corin Tucker zusammenspielen und sich ergänzen, wie ihre Stimmen konstrastieren und was sie zu sagen haben. Und seit Dig Me Out ist noch das kraftvolle Rock-Drumming von Janet Weiss als Besonderheit dazugekommen. (Falls es jemanden interessiert: Aus Anlass der Start Together-Box sind ein paar gute Texte über Sleater-Kinney geschrieben worden, so von Jenn Pelly bei Pitchfork und von Robert Christgau bei Billboard.)

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To Hell with Poverty