Re: Sun Kil Moon – Universal Themes

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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Dankeschön für die lange Antwort, hab ich gerne gelesen.

tina toledoWenn Kozelek am laufenden Band Geschichten von Konzerten und Fan-Begegnungen aufzählt, verschwimmen mir die Übergänge zwischen Persona und (unangenehmer) Person einfach zu sehr. Auch wenn man sicher keine grob beleidigenden Passagen zitieren kann, habe ich wohl leider schon zu viel über sein Verhalten und seine Auffassungen gelesen, als dass ich hier das Gefühl abstreifen könnte, dass das zum ersten Mal alles wunderbar zusammen passt. Und ich mag einfach nicht meine Zeit damit verschwenden, mir anzuhören, wie er ganz beiläufig seine Freundin betrügt, mit wem er sonst so alles herumgemacht hat oder wie viele Kraftausdrücke er in einem Song unterbringen kann. Die meisten Verse sind für sich genommen einfach selbstverliebt und (sicher ganz bewusst) banal bis stupide und für mich höchstens in der Summe interessant, weil sie ein ziemlich stimmiges Bild von einem eitlen, verbitterten, machohaften Misanthropen zeichnen.

Puh, entweder ich habe ein paar einschlägige Aussagen zu wenig gelesen oder mein Bild fügt sich anders zusammen. Dass Kozelek eine schwierige und sehr dominante Persönlichkeit ist – geschenkt. Andererseits zeichnet sich bei mir nicht die Darstellung eines „eitlen, verbitterten, machohaften Misanthropen“, sondern eines oftmals sehr bedachten Künstlers, der im Grunde zuletzt die Gedanken vehement um ihm nahestehende Menschen kreisen lässt. Gerade das hat „Benji“ ja so großartig gemacht – die Besorgtheit und schmerzvollen Schweifbewegungen beim Gedanken an seine Mutter, das mitunter zwiespältige, aber zuletzt respektvolle Verhältnis zu seinem Vater, die Ahnenforschung über Carissa und seinen Onkel, selbst die tragische „Liebesgeschichte“ von Jim Wise, das Massaker von Norwegen etc. Ich finde das widerspricht jedem Gesetz der Misanthropie ;-).

Ein wenig Selbststilisierung und „seht her, wen ich alles kenne“ ist aber sicher auf „Universal themes“ wahrnehmbar – ich finde die Gleichung geht aber anders auf. Kozelek hat eine Stimmung oder ein Anliegen, das er verdeutlicht und macht alles an Geschehen zum Teil des Ausdrucks. Mit dem Handwerk eines großen Erzählers, der im Flugzeug oder an einer Bar, im Bett eines Hotels oder vor dem Fernseher weilt und plötzlich mehrere Ebenen dazwischen schiebt oder gleich alles verschwiimmen lässt. Für mich ist das nicht bloß Zierrat, sondern oft notwendiges Sockelwerk. Gute Filme brauchen bisweilen auch Statisten und gute Bücher Teile, die nicht nur dem Spannungsaufbau dienen. Ich finde es jedenfalls bislang enorm intensiv.

Nochmal kurz zum Zitat: Ich bin da nicht so sicher, zumal es ja zunächst mit „heck“ beginnt, ich fände die Leseart des „Was zum?“, gerade in Bezug auf Personen, von deren Erschießung er erzählt, eigentlich schlüssiger. „Viele Kraftausdrücke“ unterbringen, ich weiß nicht recht.

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Hold on Magnolia to that great highway moon