Re: Veit Harlan

#9515729  | PERMALINK

foka

Registriert seit: 17.10.2007

Beiträge: 8,543

pinchFormal ist der Film sehr beachtlich. Das fängt bei der Gestaltung (Schnitte in den Reißschwenks, Parallelmontage etc.) an und hört bei den Darstellern auf. Der US-amerikanische Filmkurator und -kritiker Amos Vogel will in Werner Krauss‘ Darstellung des alten Rabbiners sogar eine „seltsame, fremde Würde“ erkannt haben. Es wurde hernach also alles getan, um neben der perfiden Publikumsmanipulation so etwas wie eine künstlerische Basis einzubringen.

Zur Premiere 1940 in Venedig schrieb der junge Michelangelo Antonioni über den Film:
„Dies ist ein überzeugender, prägnanter, außerordentlich wirkungsvoller Film. […] Es gibt nicht einen einzigen Augenblick, in dem das Tempo des Films nachlässt, auch nicht eine Episode, die sich nicht harmonisch in alle anderen einfügt. Es ist ein Film, der durch völlige Einheit und Ausgeglichenheit charakterisiert ist.“
(QN: Saul Friedländer: Die Jahre der Vernichtung. Das Dritte Reich und die Juden 1939–1945. Beck, München 2006, S. 126)

Natürlich sind solche Einlassungen außerhalb eines Symposiums nach wie vor grenzwertig. Man muss den Film schon in dem entsprechenden Kontext sehen und verwerten und dazu gehört die intensive Beschäftigung mit dem Material. Leider ist er ja mittlerweile über einschlägige Portale frei erhältlich, was sehr problematisch ist. Denn eine „Entmystifizierung durch Verfügbarkeit“ funktioniert in diesem Fall ganz und gar nicht, dafür ist die Herangehensweise Harlans und seiner Mit-Autoren (u.a. der Nazi-Poet E.W. Moeller) viel zu subtil.

Ich habe ihn auch in einem solchen Rahmen gesehen, danach wurde lang diskutiert – mich hat er ganz persönlich so abgestoßen, dass ich mir über die Form bis heute (ist ein paar Jahre her) nicht wirklich ein Urteil bilden kann. Daher die Frage.

Ja, die perfide, dem Film immanente Manipulation, hat mich leider komplett meiner Urteilsfähigkeit beraubt. Ist das denn bei den von dir angesprochenen Melodramen ganz anders?

--

Is this my life? Or am I just breathing underwater?