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Nail75, ich gebe keine Ruhe – falls Du nach wie vor der Meinung sein solltest, dass sich die Musikerexistenzen von Brötzmann und Helene Fischer nicht grundsätzlich unterscheiden, bitte ich ernsthaft nochmal um Präzisierung, weshalb Du die benennbaren und mir oder auch Go1 fundamental vorkommenden Unterscheide offenbar für marginal hältst. Zur Verdeutlichung meines Anliegens versuche ich nochmal, Helene Fischers Besonderheit herauszuarbeiten.
Zunächst ein Zitat aus einem Porträt in der Süddeutschen: Fischers Mutter verschickte Demos an diverse Branchen-Drahtzieher – „der Rest ist eine Erfolgsgeschichte, und sie verrät viel über das Geschäft, in der sie spielt. Uwe Kanthak, den Helene Fischer im Waldorf Astoria nach ein paar Minuten aus dem Zimmer wirft, weil er ,das alles schon so oft gehört‘ habe, traf sich mit dem Mädchen, das auf ihrem Demoband ,The Power of Love‘ gesungen hatte. Er schlug ihr vor, es mit Schlagern zu versuchen. Ein kleines bisschen kariert schaut Helene Fischer schon, wenn man sie fragt, ob Uwe Kanthak sie also erfunden habe. Sie sagt: ,Er hat mich eingeführt in die Welt des Schlagers, aber ich habe mir am Anfang sehr viel selbst erarbeitet.‘ Aber, sagt sie, ,das stimmt schon: Helene Fischer als Schlagersängerin, das war seine Idee‘. Wenn man so will: ein perfektes Produkt.“
Fischer hatte am Anfang offenbar keine klar definierbare künstlerische Position, auf der sie beharrte. Worüber sie hingegen verfügte, war eine umfassende Grundlagenausbildung in Gesang, Tanz, Entertainment. Sie hatte die Stage & Musical School Frankfurt absolviert, eine „Staatlich anerkannte Berufsfachschule für Musical und Schauspiel“ (die Selbstbeschreibung dieses Institution auf ihrer Homepage ist übrigens recht erhellend). Fischer ist sozusagen „gelernte Entertainerin“. Und nun half ihr ein Profi, Marktnischen zu suchen, ein Produkt zu platzieren, Zielgruppen zu erschließen und zu erweitern.
Ich hatte oben zwei „Idealtypen“ im Sinne von Max Weber eingeführt:
(1) Der Künstler, der zunächst kompromisslos seiner Vision folgt und danach versucht, sie so erfolgreich wie möglich möglichst vielen Menschen nahezubringen.
(2) Der Künstler, der zunächst kompromissbereit auslotet, welche Art von Produkt sich wohl möglichst vielen Menschen nahebringen lassen könnte, und danach versucht, die so vordefinierten Marktchancen zu nutzen.
Wie ebenfalls oben gesagt: Die meisten Karrieren funktionieren nicht sortenrein nach einem dieser Idealtypen (auch das ganz im Sinne Webers), sondern entwickeln sich als Mischphänomene. Die Idealtypen helfen aber, das jeweilige Mischverhältnis analytisch klar herausarbeiten zu können.
Und wenn es überhaupt so etwas wie reinrassige Inkarnationen der Idealtypen gibt, dann wäre Brötzmann doch ziemlich weitgehend Fall (1) und Fischer ziemlich radikal Fall (2).
Oder, um ein weiteres Mal Rossis unschlagbare Formulierung zu zitieren:
Herr Rossifast bedingungslose Kundenorientierung, mit maximalem Erfolg.
Deshalb nochmal die Frage: Siehst Du das anders? Und wenn ja, warum?
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