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Go1Der erste Teil des Satzes ist falsch, weil er wesentliche Unterschiede unter den Teppich kehrt. Der letzte Halbsatz ist richtig: Man ist darauf angewiesen, wenn man keine andere Geldquelle hat. Es gibt aber keinen Grund, diesen ökonomischen Zwang auch noch gutzuheißen oder der Kritik zu entziehen. „Produkt“ (product) ist ja ein Ausdruck aus der Musikindustrie. Gemeint wird meistens nicht das „Gemachte“, sondern die Ware, das zum Verkauf bestimmte Produkt. Kritik äußern kann man beispielsweise dann, wenn der Warencharakter den Produktionsprozess überformt oder dominiert, wenn also Musik und Auftritt auf Verkäuflichkeit bei den Zielgruppen oder „Popularität“ getrimmt werden, statt künstlerischen, ästhetischen Kriterien zu folgen. Die Folgen kann man meines Erachtens bei Helene Fischer feststellen (glatte Gefälligkeit, Kitsch und Vermeidung von Wagnissen, um das Stammpublikum nicht zu verprellen). Man kann übrigens auch ein Publikum finden, ohne auf Verkaufszahlen zu schielen oder unbedingt „populär“ werden zu wollen. Der Satz „Alle wollen verkaufen!“ ist deshalb falsch, weil er über diese Unterschiede hinweggeht.
Nein, der Satz ist vollkommen richtig, denn er geht über diese Unterschiede nicht hinweg. Zentral für die Popmusik ist ja gerade, dass sie auf der Möglichkeit beruht, dem Publikum eine Ware in Form von Tonträgern oder Konzerten zu verkaufen. Wir hatten ja schon mal über die Voraussetzungen der Popmusik gesprochen: es handelt sich um eine Massenkultur und alles, was mit „Masse“ zu tun hat, zwingt automatisch zur Professionalisierung. Ob das ein kleines Label ist oder ein großer Musikkonzern macht übrigens keinen Unterschied. Ökonomische Zwänge gibt es überall, mir ging es um eine Beschreibung, nicht um Kritik.
Die Frage, wie man seine Musik verkauft, ist eine andere. Und auf dieser Ebene können wir über diese Kritik diskutieren:
Kritik äußern kann man beispielsweise dann, wenn der Warencharakter den Produktionsprozess überformt oder dominiert, wenn also Musik und Auftritt auf Verkäuflichkeit bei den Zielgruppen oder „Popularität“ getrimmt werden, statt künstlerischen, ästhetischen Kriterien zu folgen. Die Folgen kann man meines Erachtens bei Helene Fischer feststellen.
Genau dasselbe kann man im Detail bei Taylor Swift sehen, wo versucht wird, eine amerikanische Country- bzw. Schlagersängerin zu einem weltweiten Popstar zu machen.
Aber der Gegensatz zwischen „kommerziellen“ und „künstlerischen“ Aspekten des Musikmachens sollte nicht verabsolutiert werden. Vieles geht Hand in Hand. Wenn Taylor Swift lieber traurige Liebeslieder in kleinen Clubs singen wollte, wenn Helene Fischer lieber Chansons in Theater singen wollte, dann würden sie es auch tun.
Es gibt sicherliche zahllose Beispiele für Bands, die nur zusammengestellt wurden, um einen Trend zu bedienen. Aber bei vielen anderen Künstlern dominiert die ökonomische Seite nicht so einseitig. Viele lernen das Spiel zu spielen und entwickeln Strategien, um das Beste für sich herauszuholen und ihr künstlerisches Schaffen zu vermarkten. Denn letztlich müssen auch Musiker von etwas leben, sie müssen ihre Nische finden, in der sie mit ihrem Talent Geld verdienen können.
Es ist ja nicht so, dass sich bei Musikern um seelenlose Musikroboter handelt: oben schmeißt man Geld rein und unten kommt Musik raus. Stattdessen ist es so, dass Musiker oft gemeinsam mit ihrem Management und der Plattenfirma eine Strategie entwickeln, um ihre Musik zu verkaufen. Das machen unbekannte Musiker genauso wie weltbekannte. Wenn das auf Dauer nicht gelingt, dann ist das ein Problem, denn weder eine kleine noch eine große Plattenfirma können sich einen Musiker leisten, der kein Geld einbringt. Wenn Musiker hingegen kein Management und keine Plattenfirma haben, dann müssen sie sich um alles selbst kümmern: Pressearbeit, Booking, Produktion, Aufnahmen, Technik.
Man kann übrigens auch ein Publikum finden, ohne auf Verkaufszahlen zu schielen oder unbedingt „populär“ werden zu wollen.
Ja, man kann. Es gibt vollständig kompromisslose Künstler, die nur ihren eigenen Intentionen folgen. Aber auch sie müssen irgendwie überleben, irgendwie muss Kohle reinkommen. Ansonsten verschwinden sie irgendwann aus dem Musikbetrieb. Und selbst diese Künstler kümmern sich um Tourneen, Auftrittsmöglichkeiten, Möglichkeiten des Geldverdienens insgesamt. Jemand wie Peter Brötzmann hat sicherlich nie geglaubt, „populär“ im größeren Maßstab zu werden. Er sagte mal in einem Gespräch, mit seiner Musik könne man eigentlich gar kein Geld verdienen. Und doch fand er sein Publikum. Aber seine Karriere funktioniert nicht grundsätzlich anders als die anderer Musiker.
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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.