Re: 01.01.2015 My Life 40 | Raw Air 82 | gypsy goes jazz 5

Startseite Foren Das Radio-Forum StoneFM 01.01.2015 My Life 40 | Raw Air 82 | gypsy goes jazz 5 Re: 01.01.2015 My Life 40 | Raw Air 82 | gypsy goes jazz 5

#9460973  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 69,529

FRANKIE TRUMBAUER AND HIS ORCHESTRA WITH BIX AND LANG
5. Singin’ the Blues (Conrad–Lewis–Robinson–Young) 2:58

Bix Beiderbecke (c), Bill Rank (tb), Frank Trumbauer (c-mel), Jimmy Dorsey (cl), Paul Metz (p), Eddie Lang (g), Chauncey Morehouse (d)

New York, NY, 4. Februar 1927 (OKeh)
von: The Complete OKeh and Brunswick Bix Beiderbecke, Frank Trumbauer and Jack Teagarden Sessions (1924–36) (Mosaic, 7 CD, 2001)

In Chicago, wohin es die Jazzmusiker aus New Orleans verschlagen hatte (es gab in New Orleans keine Aufnahmestudios!), bildete sich bald eine eigene „Schule“ heraus. Dem Chicago-Stil fehlte, wie Joachim-Ernst Berendt schreibt, „der fröhliche Überschwang der alten New Orleans-Zeit; statt dessen spiegelten sich das hektische Leben der großen Stadt Chikago und immer stärker auch die Rassendiskriminierung in der Musik“. Junge weisse Schüler, Studenten und Musiker waren begeistert von den Klängen, die aus New Orleans den Mississippi hoch gelangt waren. Aus der Nachahmung entstand rasch eine anders geartete Musik. Etwas kühler, öffnete sie aber auch Räume für stillere Töne wie den einzigartigen Gesang von Bix Beiderbeckes Kornett.

Für get happy!? schrieb ich einst ein paar Zeilen über Leon Bismark „Bix“ Beiderbecke (1903–1931), der nur ein paar wenige Monate zu alt wurde, um den fatalen Club der Siebenundzwanzigjährigen zu begründen:

„Singin’ the Blues“ ist das Stück, in dem Bix und sein Freund Tram, der Saxophonist Frank Trumbauer, im Februar 1927 die ersten Balladen-Soli einer Hot Jazz-Gruppe spielen. Das cremige Spiel Trams und der klare, singende Ton von Beiderbeckes Kornett ergänzen sich perfekt.

Der Junge aus dem Mid-West war der erste weiße Solist, dem es gelang, die Welt des Jazz zu erobern. In musikalischer Hinsicht ist er die Antithese zu Louis Armstrongs Überschwang. Das introvertiert kühle und lyrische Spiel macht Bix zu einem Vorläufer des Cool. Der Kritiker Whitney Balliett sah in den Zwanzigerjahren vier bedeutende amerikanische Musiker: Armstrong, Ellington, Gershwin – und Bix.

Der zeigte – obwohl weitgehend Autodidakt – seine Ambitionen auch am Klavier, auf dem er Stücke spielte, die an Debussy und Ravel gemahnen. „In a Mist“ ist das einzige, das er in seinem kurzen Leben aufnahm. Es legt wie seine verzaubernden Kornett-Soli einen harmonischen Wagemut offen, der neben den französischen Impressionisten auch an Stravinsky denken lässt. Beiderbeckes Spiel litt zunehmend unter dem Alkoholismus, der ihn schließlich mit 28 Jahren dahinraffte. Bix wurde zu einem der ersten Mythen der Jazzgeschichte, einem romantischen Helden, der Eingang in Literatur und Film fand.

Bix ist einer der zentralen Vertreter des Chicago Jazz, der flüssiger, melodischer ist als der archaische Jazz der Musiker aus New Orleans. Im Chicago-Stil ist der Einzelne, sein Solo-Spiel zentral, nicht mehr das Ensemble, das den New Orleans-Jazz prägte – und Bix bleibt einer der unübertrefflichen Jazzsolisten.

In „Singin’ the Blues“ sticht auch Eddie Lang an der Gitarre mit seiner äusserst melodiösen Begleitung hervor. Eine bezaubernde Aufnahme, die damals ob ihrer Neuartigkeit für viel Aufsehen sorgte – und sicherlich grossen Einfluss auf die Entwicklung von Musikern wie Benny Carter oder Lester Young genommen hat.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba