Re: "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?

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bullschuetz

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gypsy tail windWobei die Kehrseite eben die ist, dass man sich als Autor/Urheber auch den einen oder anderen Gedanken machen sollte, wenn das „falsche“ Publikum am Werk Freude hat. Hatten wir neulich ja gerade anderswo auch schon. Das Thema ist natürlich kompliziert und es gibt da allerlei lustige und tragische Verirrungen und Verwirrungen, aber dennoch, den Autor sich einfach aus Verantwortung stehlen lassen ist mir in jedem Fall zu billig.

Ich räume ein, das schillert. Und tops hat ja die ideologischen Fragwürdigkeiten (womöglich auch teilweise Ekligkeiten) Meys beschrieben und in einen Kulturkampf-Zusammenhang eingeordnet, der mir so klar nicht bewusst war. Insofern kann ich es natürlich nachvollziehen, wenn jemand vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen mit Mey den Text wörtlich nimmt als 1:1-Ausfluss eines spießigen Autorenstandpunktes, und es kann auch gut sein, dass im Konzert haufenweise Leute sitzen, die nach diesem Song applaudieren und sagen: Genau so isses, endlich sagt’s mal einer!
Auf einem aber beharre ich – dieser Song sagt ja objektiv, nämlich explizit: Diese Kritik an der technologischen Moderne in Musik und Gesellschaft äußert ein lyrisches Ich, das technisch bereits mit dem Bus-Entwerter und dem Bedienen der eigenen Stereoanlage überfordert ist. Der Song thematisiert so gesehen die Rückbesinnungssehnsüchte eines technologisch radikal Abgehängten, im Catweazle-Stadium Gestrandeten … Und jetzt kannst du natürlich sagen: So hat’s Mey aber bestimmt nicht gemeint! Mag sein – aber so steht’s im Text. Das meine ich, wenn ich sage, der Text kann klüger sein als sein Autor und dessen ideologisches Projekt unterlaufen.

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