Re: "Handgemachte Musik" – Sinnvoller Begriff oder überholte Vorstellung?

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herr-rossi
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wahrSoweit ich es mitbekommen habe, hat die Diskussion irgendwann das Thema „handgemacht“ um seine Verbindung mit „ehrlich“ erweitert.

Nein, das war überhaupt der Ausgangspunkt der Diskussion, wie man ganz vorne im Thread nachlesen kann. An und für sich ist das Attribut „handgemacht“ keine Diskussion wert, sondern allein die Verknüpfung mit Begriffen wie „ehrlich“, „authentisch“ und „Handwerk“, die implizieren, dass eine nicht (bzw. nicht ausschließlich) „handgemachte“ Musik eben per se „unehrlich“, „unauthentisch“ und ohne technisches/musikalisches Können gefertigt sei.

ReinoNun, die Unehrlichkeit fängt ja da an, wenn man einen Knopf/eine Taste drückt und mehr als ein Ton zu hören ist.

„Unehrlich“ kann doch nur der Versuch sein, dem Hörer etwas vorzutäuschen. Aber die Hörer von Musik, die mit elektronischen Klängen, Samples usw. arbeitet, wissen doch, was sie hören. Und der Konzertbesucher sieht, wer auf der Bühne steht und wer nicht. Wenn dort nur jemand mit Turntables oder Laptop steht oder nur Sänger und Tänzer agieren, dann grübelt doch niemand ernsthaft, wo sie denn wohl das Orchester versteckt haben …

Und dieses „wenn man denen den Strom ausschaltet, können die nichts mehr“, was weiter oben wieder kam, ist doch auch unsinnig. Es gibt Musik, die funktioniert allein beispielsweise mit akustischer Gitarre und Stimme. Wer das für das einzig Wahre hält, bitte schön. Aber Musikaufführungen sind eben je nach Genre wesentlich komplexer und an bestimmte Örtlichkeiten und technische Voraussetzungen gebunden, selbst bei so altehrwürdigen Kunstformen wie dem Orgelspiel in der Kirche, der Symphonie oder der Oper. Auch die vermeintlichen „Knöpfchendrücker“ haben musikalisches Rüstzeug und werden auch mit der Situation „akustische Gitarre plus Stimme“ nicht überfordert sein (solche Momente können auch durchaus zur geplanten Bühnenshow gehören), aber es ist eben nicht das, was sie spielen wollen.

Wieviel Prozent unehrlich ist denn z. B. Theresa Anderson, wenn sie ihre Solo-Performance mit vorproduzierten Sounds und Backgroundgesang verstärkt und neben Gitarre, Geige usw. auch elektronisches Spielzeug und einen Turntable mit auf die Bühne bringt? Dass sie zum Knöpfchendrücken auch noch statt der ehrlichen Hände ihre Füße benutzt, macht sie wahrscheinlich zu einem besonders infamen Exemplar ihrer Gattung.;-)

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