Re: Heinz Rudolf Kunze

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wuerzel

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Speed TurtleFür mich einer der dümmsten und plattesten Kunze-Text aller Zeiten. Das ist auch mein Problem mit „Richter-Skala“ insgesamt, dieses Riesengefälle zwischen einerseits überehrgeiziger Experimentierfreude, teilweise eher bemüht als beseelt wirkender Sperrigkeit, und andererseits solchen auf Grundschulniveau gereimten Mainstream-Parolen, wo Nazis, Bayern- und McCartney Fans alle im selben Topf landen, ganz zu schweigen von Zoten wie „Bitte, bitte, Brigitte, lass mich ins Reich der Mitte“ oder „Schema F“-Langweilern wie „Ich steh dir bei“. Da ist irgendwie keine Linie und entgegen landläufiger Meinung für mich auch keine spezielle Grundstimmung erkennbar. Die viel beschworene Düsternis verliert in diesem unterm Strich doch ziemlich bunten Gemischtwarenladen erheblich an Sogkraft, weil der Faden immer wieder reißt, die unterschiedlichen Facetten sich nicht organisch ergänzen, sondern (nach meinem Empfinden) ziemlich zusammenhanglos nebeneinander stehen. Es mag vielleicht cooler sein, Lennon für den einzig wahren Beatle und „Richter-Skala“ für Kunzes großes verkanntes Meisterwerk zu halten, aber so pauschal würde ich beides nicht unterschreiben. Die Gratwanderung zwischen präsentierter Bandbreite und dem Eindruck weitgehender konzeptioneller Geschlossenheit fand ich auf „Korrekt“ dann doch ein ganzes Stück überzeugender gelöst.

Wenn HRK gelegentlich mit dem Holzhammer textet, sollte man schon erkennen, dass das mit voller Absicht geschieht, niemand wird ernsthaft bezweifeln, dass er es nicht auch anders könnte. In „Halt’s Maul“ beschreibt er den „hässlichen Deutschen“, wie er ihn, ganz pessimistisch, in der Mehrheit gesehen hat. Der kleine, dreckige Rocker „Talk Show Schmutz“ von „Halt“ ist auch so ein Beispiel: „Wir sind hässlich, gemein und dumm, stinken oben- und untenrum“ – beömmel ich mich jedes Mal drüber. Während „Halt’s Maul“ aber vielleicht etwas elitär gedacht war, hat Heinz „Talk Show Schmutz“ nicht zufällig in der Wir-Form geschrieben.
„Korrekt“ finde ich auch noch ein kleines bisschen besser, weil ausgefeilter, als „Richter-Skala“, das aber auch einen anderen Ansatz hatte. Es war das erste Album mit einer neuen Verstärkung, der Schwerpunkt wurde darauf gelegt, dass die neuen Musiker persönlich klingen und sich präsentieren können, die neue Band sollte auch als „neue Band“ erkennbar sein. Dafür haben Heinz und Heiner sich selbst etwas zurückgenommen, deshalb klingt das Album auch ein bisschen anders. Von „Seekranke Matrosen“ mal abgesehen, muss man „schöne“ Melodien mit der Lupe suchen (ausgerechnet in „Möchtegern-Opfer“ hat sich gegen Ende z.B. eine versteckt), „bemüht wirkende Sperrigkeit“ höre ich da jedoch nicht, trotz stilistischer Vielfalt ist alles im Fluss, der rote Faden ist die Rauheit und Direktheit, die man so wohl nur mit neuen Musikern hinkriegt.

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"Dieses Album ist so klar und deutlich von mir, daß es diejenigen, die meine Arbeit lieben, in ihrer Liebe bestärken wird und diejenigen, die mich hassen, so daß sie mich gar nicht wahrnehmen (sonst müssten sie mich ja vielleicht gut finden), werden in ihrer Abneigung gegen mich bestärkt." HRK (2013)