Re: U2 – Songs of Innocence

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bullschuetzIch bin weder weilstein noch kramer, aber zum Stones-Vergleich habe ich auch eine Meinung.

Letztlich richte ich an Bono vor allem einen stilistischen Vorwurf: Wer sich, wenn’s ums eigene Geld geht, genau wie alle anderen kleinen und großen Gierhälse die moralischen Erwägungen zurechtbiegt und zurechtbeugt, bis die Summe auf dem Konto optimiert ist, der sollte, wenn’s um die Schlechtigkeit der Welt geht, nicht gar zu pathetische Sprüche klopfen. Sonst wirkt er eben selbstgerecht. Das nervt mich furchtbar an Bono – und in dieser Hinsicht haben mich die Stones dankenswerterweise noch nie gequält.

Die Stones waren immer widersprüchlich und haben das erst gar nicht zu übertünchen versucht. Die Band hat immer über das Stilmittel der Ironie verfügt, ob in der Pressekonferenz oder im Song. Die Zeile „what can a poor boy do“ ist in dem Zusammenhang ziemlich früh ziemlich scharfsichtig, ja, weise – eine Absage an den naiven Sixties-Utopismus mitten in den Sixties und das Gegenteil von Bonos oben zitiertem, größenwahnsinnigen „Ich will Spaß haben und die Welt verändern“. Ich glaube, in welche Widersprüche man sich als Rockstar reinmanövriert, haben die Stones ziemlich früh kapiert. Wie Jagger damit umgeht, hat zumindest stilistisch in meinen Augen Klasse. Was Richards betrifft – die rotzige Lässigkeit, mit der er in seiner Autobiographie über Steuerflucht redet, zeigt, dass der Typ damit kein Problem hat. Finde ich oberflächlich und billig – aber, tut mir leid, diese Form von Ehrlichkeit, kann ich besser aushalten als Pomp und Pathos, hinter dem dann am Ende doch bloß wieder die ganz normale kleine Unehrlichkeit lauert.

Weshalb mir die Anekdote mit dem Klatschen und den sterbenden Kindern so gut gefällt: Bei den Bonoschen Betroffenheitsinszenierungen schwingt oft so viel Pathos mit, dass ich immer das untergründige Gefühl habe, da suhlt und genießt sich einer in seiner eigenen Fähigkeit zum Betroffensein und Mitleiden. Weshalb der Zwischenrufer genau den richtigen Ton trifft – auf extrem geistreiche und schlagfertige Weise sagt er eigentlich nur: Nimm Dich nicht so verdammt wichtig!

Im übrigen machen die Stones bessere Musik. Das erhöht meine Bereitschaft, moralische Fehltritte zu verzeihen, immens.

Ich betrachte die Band immer getrennt von der Musik, sonst würde mir zu viel gutes entgehen. Klar die Betroffenheitsjunkies und Gutmenschenkaliber ala Bono, Niedecken, usw. gehen mir mit ihrer Masche auf den Keks. Aber ich versuche sie einfach so gut e sgeht zu ignorieren. Und Hass oder ähnlich starke Gefühle wären sie einfach nicht wert. Mir sind sie schlicht egal, aber durchschaut habe ich sie trotzdem. :liebe:

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