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Alberto … hemmungslos konventionellen Rock …
kramerJetzt weiß ich auch, warum ich Silly nie mochte. Egal, ob mit Tamara Danz oder mit Anna Loos.
Dieser hemmungslos konventionelle, dadurch aber auch sehr austauschbare und schon in den 80ern leicht antiquiert wirkende Rock war wohl allen DDR-Bands zueigen, zumindest denen in der vordersten Reihe. Der gleichzeitig wild blühende Untergrund war aufregender und gewagter, musikalisch allerdings kaum weniger adaptiv. Umso wichtigeres, identifikationstiftendes Unterscheidungsmerkmal waren die notgedrungen deutschen Texte und diesbezüglich waren Silly in den Anfangsjahren leider all zu oft nur bloße Interpreten, was sie in meinen Augen deutlich herabstufte. Das ist ein Stück weit dann eben doch nur Castingband. Für mich eine späte, um so ernüchternde Erkenntnis. Auf meinen überspielten Kassetten hatten anfangs nicht mal die Songtitel gestanden.
Verantwortlich für Sillys Texte waren also Andere, insbesondere der herausragende Werner Karma. Aus dessen Feder stammten die potenten Texte zu Songs wie ‚So ’ne kleine Frau’, ‚Bataillon d’amour’ oder ´Über ihr taute das Eis’, die auch unabhängig von der Musik, ohne die mitunter arg strapazierende Stimme von Tamara Danz, zu berühren wissen. Andere wie ‚Schlohweißer Tag’ widerum sind ohne die Laszivität insbesondere im Livevortrag von Danz kaum denkbar. Als man sich 1988 im Streit trennte, sprang vorübergehend Gerhard Gundermann in die Presche. Um der Gerechtigkeit genüge zu tun, soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch Danz ihr sehr wohl vorhandenes Texttalent fortan stärker einbrachte und die ostdeutschen Zustände und Befindlichkeiten in den Jahren unmittelbar vor und nach dem Mauerfall in Songs wie ‚SOS’, ‚Traumpaar’ oder ‚Halloween in Ostberlin’ gekonnt zu kommentieren wusste.
Nicht leugnen kann man einen gewissen Schmonzanteil, der sich konstant durch das Werk von Silly zieht. Nicht immer war die Danz zu ertragen. Ihre Vereinnahmung durch Rosenstolz spricht denn auch für sich. Kein einziges Studioalbum ist durchgängig zu empfehlen, man muss sich schon sehr selektierend durch die Diskographie wühlen. Die Studioalben waren im Vergleich zu den Liveauftritten ohnehin stets etwas blass und mit der Kälte der 80er produziert. Ein Album, das mir ans Herz gewachsen ist und hier auch schon erwähnt wurde, ist das gemeinsam mit Gundermann eingespielte Unplugged-Album. Möglicherweise muss man gar nicht mehr über Silly und auch über Gundermann wissen.
Nun sind Silly also mit einer Anna Loos als Frontersatz für die verstorbene Danz zurück. Das interessierte mich bis eben herzlich wenig. Immerhin jedoch hat man, wie ich gerade feststellen muss, wieder Werner Karma einspannen können, der sich für die neuen Texte vollverantwortlich zeigt. Eine gewisse Neugier kann ich deshalb nicht verleugnen. Dennoch werde ich den Verdacht nicht los, einer unerträglichen Mischung aus Ostalgie und Leichenfledderei mit einer singenden Schauspielerin beizuwohnen. Für Spätgeborene kann das durchaus beglückend sein. Auch ich etwa war dankbar, mir ‚Plewka singt Reiser’ live ansehen und anhören zu können, statt immer nur auf Konserven von Rio und TSS zurück zu greifen. Ein übler Beigeschmack bleibt.
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Ich brachte meine Vergangenheit im Handgepäck mit. Ihre lagerte irgendwo im Container-Terminal. Als sie ging, benötigte ich einen Seemannssack.