Re: Ryan Adams – Ryan Adams VÖ 09.09.2014

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annamax

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8 von 10 Punkten bei Abgehört.

Ryan Adams – „Ryan Adams“
(Columbia/Sony, ab 5. September)

Ein komplettes neues Album hatte Ryan Adams bereits fertig, sagte er unlängst dem britischen „Mojo“-Magazin. Doch dann merkte er, dass etwas nicht stimmte. „Ich konnte das nicht veröffentlichen. Ich musste erst herausfinden, wer ich bin.“ Das Album, produziert von Studio-Legende Glyn Johns, wanderte in den Müll, und Adams verbarrikadierte sich in seiner Pax-Am-Butze in Los Angeles, um in sich zu gehen. Zuvor hatte sich der heute 39-Jährige einer Hypnose- und Marihuana-Therapie unterziehen müssen, um sein Ménière-Syndrom zu behandeln, eine seltene, Schwindel und Angstzustände erzeugende Ohrenerkrankung.

Die, zusammen mit ausdauernden Alkohol- und Drogen-Exzessen, hatten Adams an den Abgrund geführt: 2011, nach Veröffentlichung seines letzten, eher mäßigen Albums „Ashes & Fire“, galt der ohnehin als impulsiv und launisch bekannte Rockstar als nicht mehr bühnenfähig; zu viele Konzerte musste er aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Die Karriere eines der talentiertesten und Output-freudigsten Songwriter der US-Rockszene schien frühzeitig beendet. In nur zehn Jahren, zwischen 2000 und 2011, hatte Adams 14 Alben und diverse Nebenprojekte veröffentlicht, galt als coole Galionsfigur der Alt-Country-Bewegung, wurde zusammen mit Wilco-Chef Jeff Tweedy als Enkel von Springsteen, Petty und Mellencamp gefeiert.

Doch nun kehrt der ehemalige Whiskeytown-Sänger aus North Carolina mit dem vielleicht besten Album seit seinem Solo-Debüt „Heartbreaker“ zurück. Programmatisch „Ryan Adams“ betitelt, enthält es mit „Am I Safe“, „My Wrecking Ball“, „Shadows“ und „Tired Of Giving Up“ einige der klarsten und berührendsten Songs seiner Karriere. „I was playing dead/ Didn’t make a sound/ Holdin‘ my breath/ Going underground“, singt er im ebenfalls sehr guten Opener „Gimme Something Good“, das auf einem resoluten Gitarrenriff basiert und in einem beschwörerischen Refrain gipfelt: Himmel, lass mir doch zur Abwechslung mal Gutes widerfahren!

Die Dämonen der Vergangenheit sollen also mit schönsten Tönen ausgetrieben werden. Heartbreakers-Mitglied Benmont Tench steuerte den neuen Songs einige seelenvolle Orgel-Passagen bei, was den Eindruck verstärkt, als wollte sich Adams an frühe, kristalline Tom-Petty-Alben wie „Damn The Torpedoes“ lehnen. Das fieberhafte „I Just Might“ erinnert zudem an Springsteens „State Trooper“ – es sind die ewigen Motive des amerikanischen Heartland-Rocks, auf denen Adams seine Redemption-Story entwirft und dabei nüchtern selbstreflektierend zu neuer Kraft findet: „The lens is broke/ There ain’t no one inside/ Staring through the screen, looking back at my fucking life“ („Feels Like Fire“).

Wenn kaputte Rock’n’Roller noch einmal die Kurve kriegen und ein Comeback starten, endet das zumeist in purer Langeweile. Diese Phase hat Vielveröffentlicher Ryan Adams mit den mediokren letzten Cardinals-Alben und „Ashes & Fire“ zum Glück bereits hinter sich – und findet nun zurück zu dem, was einst den Weg für Nachkömmlinge wie Kurt Vile und The War On Drugs ebnete. (8.0) Andreas Borcholte

http://www.spiegel.de/kultur/musik/neue-alben-ryan-adams-phillip-boa-blonde-redhead-banks-a-989286.html

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.