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Eigentlich gehört dieser Tag Billie Holiday, deren Geburtstag sich heute zum 100. mal jährt. Leider ist sie mit gerade mal 44 Jahren vom Leben zerrieben über den Jordan gegangen. Aber um das Paradoxe auf die Spitze zu treiben, höre ich statt Billie Holiday nicht nur Electronica, sondern sogar Electronica, die weitestgehend ohne elektronisches Instrumentarium auskommt. Aber wie soll man das nennen? Experimental? Indie Electronic? Avantgarde? Ich weiß nicht, wo ich es hinstecken soll.
Die Rede ist von Hauschka und Nils Frahm, beide sind Pianisten, die sich – würde ich mal sagen – irgendwo im Niemandsland zwischen Erik Satie, Klassischen Minimalismus, Ambient und Elektronik bewegen. Hauschka hat 2014 ein neue Platte gemacht, die er Abandoned Cities genannt hat. Präpariertes Piano, hier und dort etwas Perkussion, ein paar Streicher und das ganze dann noch mal durch die Studiokonsole geschickt und klangmanipuliert. Sehr atmosphärisch, wie Musik für eine Doku über Detroit, Tschernobyl und meinetwegen Magdeburg. Fast ein bisschen zu gefällig, denn so schön ist der Verfall dann doch wieder nicht. Eignet sich aber sehr gut als Beschallung bei Bahnfahrten durch Brandenburg. Ja, dann doch sehr schön!
Nils Frahm kenne ich erst seit kurzem, obwohl er auch schon einige Alben veröffentlicht hat. Sein neuestes heißt aptly titled solo. Viel schlichter und spröder als Hauschka, klingt so als sitze man als Hörer direkt im Flügel, man hört die Anschläge, oft hört es sich so an, als würden die Saiten mehr gezupft als angeschlagen. Es rauscht. Es hallt. Und dann ist es still. Das ist alles andere als elektronisch, aber dann ist es doch wieder so nah an minimalistischer Musik a la meinetwegen Brian Eno oder Alva Noto + Riuichi Sakamoto dran. Eigentlich tue ich dieser Musik Unrecht, wenn ich sie ins elektronische Fach stecke. Ich tu es trotzdem. Bei dieser Musik neige ich dazu, langsam wegzudösen. Wenn sie dann vorbei ist und ich wieder aufwache, denke ich: Das war schön!
Man kann so[I]lo hier von Nils Frahms Website völlig legal herunterladen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)