Re: Motown – Hits vom Fließband

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bullschuetz

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Go1Dass es da einen „unbedingten“ Widerspruch gebe, hat noch niemand behauptet. Wer die Kommerzialisierung der Kunstproduktion kritisiert, meint nur, dass ökonomisches Kalkül, Streben nach Gewinn, Marktdruck usw. ein kunstfremder Faktor ist, der das Kunstschaffen erschwert oder behindert – weil er die Beteiligten dazu bringt, auf Marktgängigkeit zu achten statt auf das, worauf es eigentlich ankommen soll in der Kunst (individueller Ausdruck, freies Spiel der Phantasie, die künstlerische Vision oder was auch immer). Der Marktdruck gilt den Kritikern als widriger Umstand.
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Wer von seiner Kunst leben will, muss entweder eine „Marktnische“ finden oder braucht einen Mäzen oder ist auf Staatsgelder angewiesen – in allen drei Fällen muss man sich mit Erwartungen auseinandersetzen, die dem eigenen künstlerischen Drang zuwiderlaufen können.
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Eine wirklich freie Kunstproduktion kennen wir doch gar nicht. Dass es allen Menschen möglich sei, ihre Kräfte frei als Selbstzweck zu entfalten, ist immer noch Utopie. Dieser utopische Gehalt: die freie Entfaltung des Individuums, ist aber Teil unseres (bürgerlichen, abendländischen) Kunstideals, Teil des kulturellen Erbes.
[…]
Aber unabhängig davon, was man allgemein von Deiner These hält, ist Blue Note kein gutes Beispiel dafür.

Da kann ich mit fast allem leben und vielem zustimmen, insbesondere, dass Blue Note kein gutes Beispiel ist. Ich bin da eigentlich bloß reingerutscht und habe mich von der Spekulationslust aufs Feld meiner Inkompetenz treiben lassen, nail75 hat ja die Brüchigkeiten grausam präzise entlarvt.

Der radikal spannendere Fall, den ich weiter oben mehrmals anzureißen versucht habe, ist Motown. Denn da scheint es mir so gewesen zu sein, dass (um mit Deinen Worten zu sprechen:) „ökonomisches Kalkül, Streben nach Gewinn, Marktdruck usw. kunstfremde Faktoren waren, die das Kunstschaffen“ … eben nein, gerade nicht „erschwert oder behindert“, sondern in dieser irren Dichte sowohl fulminant erfolgreicher als auch qualitativ phantastischer und teilweise künstlerisch innovativer Aufnahmen überhaupt erst möglich gemacht haben.

Dass es so sein könnte, wollen wir alle natürlich gar nicht hören, weshalb ich Motown sowohl „faszinierend“ als auch „provozierend“ genannt habe.

[Ich bitte schonmal um Entschuldigung dafür, dass ich, falls jemand das kommentieren will, heute nicht mehr antworte, bin steinmüde.]

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