Re: Motown – Hits vom Fließband

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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Man sollte bei Blue Note mehrere Dinge nicht vergessen. Die Auflagen der Blue Note-Alben war unglaublich klein, 1000 Stück hier, 2000, mal 3000. So viele produziert auch das deutsche This Charming Man Records-Label von seinen Punk, Metal und Indie-Bands. Daher sind die Originale auch so teuer und gesucht.

Das Gute für Blue Note war, dass sie bis auf den heutigen Tag gefragt sind. Langfristig war das also ein erfolgreiches Geschäftsmodell – aber in den 1940ern war Blue Note ein winziges Label, das ständig vor dem Aus stand. Wenn du Alfred Lion in 1947 gesagt hättest, dass seine Platten in 50 Jahren zu den gesuchtesten überhaupt zählen würden, hätte er vielleicht geantwortet: „Das ist ja schön, aber ich hätte gerne jetzt etwas Geld, um meine Miete zu bezahlen“.

Der Vergleich mit Motown hinkt also wie gypsy schon zu Recht anmerkte.

Dass Alfred Löw durchhielt, kann man nur mit einem enormen Maß an Leidenschaft und Idealismus erklären. Er liebte den Jazz – darüber besteht Einigkeit. Als europäischer Jude, der von den Nazis fliehen musste, besaß er Respekt vor den (vornehmlich) afroamerikanischen Musikern und hatte auch gewisse ganz unamerikanische Vorstellungen, beispielsweise dass Zeit für Proben unterstützenswert sind. Daher bot er bessere Bedingungen für Musiker als die anderen unabhängigen Jazzlabels wie Prestige oder die Westcoast-Label.

Mit anderen Worten: Ja, das Blue Note Beispiel beweist, dass „ökonomisches Kalkül, kaufmännischer Verstand oder pragmatische Erdung der Kunst nicht unbedingt im Wege stehen muss“. Aber erst Jahrzehnte nach den äußerst mühsamen Anfängen, nach sehr vielen Entbehrungen und nur mit unendlich viel Idealismus und Beharrlichkeit.

Ein besseres Beispiel wäre vielleicht ECM. Ein Indie-Label, das sich mit einem gigantischen Hit-Album am Markt etablieren konnte und sich dauerhaft behauptete, weil es einen eigenen Stil und eine eigene Ästhetik perfektionierte, der jederzeit wiedererkennbar ist.

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.