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Herr RossiBei mir schon, ich bin immer dankbar für Gedanken zu Texten, gerade weil die in meiner eigenen Wahrnehmung oft eine nachgeordnete Bedeutung haben.
Ich würde einfach behaupten, dass Polachek ein Cleverle ist und auch alles andere als unbelesen. Darauf deutet ja schon der Albumtitel hin, ich nehme einfach an, dass es ihr um das hier geht: Die Kreierung eines Exils, das schön und mystisch und seltsam ist – und auch abgeschieden (und einsam). Sofern ich bisher beurteilen kann, drehen sich die meisten Tracks von „Arcadia“ um Darstellungen von Nähe und Distanz verschiedener Art und „Wings of the parapets“ macht da keine Ausnahme. Das Komplexeste ist wahrscheinlich der Titel, weil nicht klar ist, was die „wings“ sind (wahrscheinlich „Gebäudeflügel“, später taucht noch „open ledge“ auf, also ein Mauerabsatz). Ich gehe aber davon aus, dass man es so verstehen kann: Die Figur der Geschichte steht hoch oben, auf einem für alle sichtbaren Bereich (den „parapets“), zaudert mit den Gefühlen – und lässt sich in die Tiefe fallen. Angesprochen wird ja auch der Grund: „O if love is a dependency/Resign me“. Danach bleibt der Gesang dann auch aus, man hört nur eine Reihe knackender Geräusche und die wehmütige Keyboardmelodie, ehe es flirrt – als würde sich etwas vom Fels lösen. Der zweite Teil wirkt wie ein neues Erwachen – die Taube, die tief unter der Erde weilt. Und zuletzt „O if love is the opposite of free/Resign me“.
In „Arcadia“ spielt, frei nach Virginia Woolf, „ein eigenes Zimmer“ eine besondere Rolle und ich verstehe die Festung, die das Cover ziert, als Polacheks inneren Rückzugsort. Schon im Opener hört man ja Glockenläuten, das mich an die Geräuschkulisse in einer belebten Burg erinnert. „Wings of the parapets“ ist für mich in diesem Sinne der abschließende Knick, der sich über zahlreiche Tracks angebahnt hat: Wenn nicht die Freiheit, dann der freie Fall. Und Polachek wählt die Taube als Friedenssymbol sicher nicht umsonst.
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Hold on Magnolia to that great highway moon