Re: 26.01.2014

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wolfgang-doebeling
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KICKS ON 45 & 33

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duploAuch wenn du deine Nachfrage bereits gelöscht hast, Wolfgang, zwei/drei Anmerkungen meinerseits zu Tina & Sharon.

Vorab, ich halte ‚I Learned the Hard Way‘ für ein herausragendes Soulalbum, mit etlichen coolen Grooves, phantastischen Bläsersätzen, einem wohlig-warmen Orgelbett usf. Perfekt.
Und diese Coolness steht Sharon verdammt gut, hier kann ihre Stimme auch mal zum spitzen Schrei anheben, um dann wieder sanft im Flow zu landen.

Mittlerweile habe ich mir nun Retreat! mehrmals angehört.
Die Bridge ist wirklich toll, der chorische Bläsersatz ab Minute 2:20 ebenso.
Die recht dünne Gitarrenarbeit der ersten Strophe allerdings, die ja ein Versprechen auf Späteres sein könnte, wird im Refrain letztlich nur wiederholt. Deshalb geht mir im Refrain der Groove, den die Hörner in der Bridge ansetzen, verloren. Da vermisse ich eine knackige Hookline o.ä. was Druck aufbaut/hält. Das soll dann die Stimme leisten, aber ich höre ich nur das angestrengte, atemraubende ‚Aus dem Weg‘-Geschrei, das mich stark an Tina erinnerte.
Am Ende geht ihr bei der ganzen Stimmakrobatik die Kraft aus und der Druck flöten.
Keine Ahnung, was sie sich nach ihrer Krankheit hier genau beweisen musste.

Kurz: Wenn einen der Groove nicht packt (Hook’n’Horn), wirkt der stimmlich betriebene Aufwand eher hektisch und hysterisch.

Von Tina (& Ike) kenne ich letztlich viel zu wenig, als dass ich mich auch nur irgendwie sinnvoll dazu äußern könnte.
Besitzen tue ich nur ‚Workin‘ Together‘ von 1970, und die lag lange nicht auf.

Ich hatte die Frage gelöscht, weil eine Antwort ausblieb. Etwas voreilig, wie sich nun zeigt.

Deine Anmerkungen habe ich mit Interesse gelesen und auch verstanden. Allerdings höre ich Musik wohl völlig anders, jedenfalls dann, wenn es ihr vornehmster Zweck ist, einen Song zu transportieren. Du weißt schon: Text mit Melodie. Darum geht es, um die Aussage des Songs. Alles andere wie Arrangement, Gesang, Instrumentation und Produktion hat die Aufgabe, den Song mit Leben zu füllen, ihn unter die Haut des Hörers zu jagen. Unter dieser Prämisse geht Deine Kritik an Sharon ziemlich an der Sache vorbei, denn setzt Du ihren Gesang ins Verhältnis zu dem, was sie singt, ergibt ihre „Stimmakrobatik“ sehr viel Sinn. Himmel, da ist eine Frau am Durchdrehen: „Hell hath no fury like a woman scorned, I will make you wish you was never ever born“. Wie eine „Furie“, monierst Du, trete sie auf, mit „Aus dem Weg-Geschrei“. Allerdings!! Um nichts anderes geht es ja in diesem Song: „Taking you apart is my kind of fun/ I count to ten and you better run/ One, two, three, here I come – retreat!“. Natürlich muss da Gift und Galle rein, Hektik und Hysterie, das lässt sich nicht beherrscht und zurückhaltend singen. Sharon ist da durchaus überzeugend, meine ich.

Kurz: Ein Groove ist nie Selbstzweck, auch satte Bläsersätze oder andere musikalische Finessen nicht.

Was Ike & Tina betrifft, so hast Du mit der LP keinen Glücksgriff getan, es gibt besseres, vor allem auf 45.

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