Re: Die besten Alben der Musikmagazine 2013

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herr-rossi
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re-editHallo Herr Rossi, habe mir Pure Heroine soeben noch einmal komplett angehört und ich sage dir: Der Tag wird kommen, an dem du dir wünschen wirst, Lorde niemals verteidigt zu haben. Spätestens dann, wenn das ZDF auf die verrückte Idee kommt, die Bilder aus Sotchi nicht mit Anastacia zu untermalen. Und allerspätestens dann, wenn wir im Sommer „Team“ im Magician Samba Remix für Jogi´s Truppe auf die Ohren bekommen…;)

Mag sein, aber ich ignoriere ja Sport so gut es geht. Ich kann mich daher auch immer noch für „I Follow Rivers“ begeistern, auch wenn es im stumpfen Remix für profane Fussballzwecke entweiht wurde.

captain kiddAlso die Ähnlichkeiten zu Lana sind ja nun offenhörlich. Is ja auch nicht schlimm. Aber das abzustreiten, ist irgendwie auch albern.

Es ist aber noch wesentlicher alberner, sie einfach als „Lana Del Rey für XY“ zu kategorisieren, das ist diese Art von Ex-und-hopp-Kritik, die ich echt zunehmend anstrengend finde. Alles muss immer in einen süffisanten Einzeiler passen, der letztlich nur zeigen soll, dass der Kritiker den Durchblick hat. Klar, mir sind solche Sätze auch schon untergekommen, die dann für Protest sorgten („Jake Bugg: Justin Bieber macht jetzt Brit-Pop“, aber das stimmte ja auch ;-)). Natürlich entsteht so ein Album nicht im luftleeren Raum, es ist eben Musik aus 2013. Man kann hier auch genauso Einflüsse von The XX ausmachen, aber das Ergebnis ist nun wirklich eigenständig und die Unterschiede zu Lana sind keine geringen.

Die Frage ist jetzt jedoch, was Huhn und was Ei ist. Ist sie erfolgreich weil, sie „moderne“ Musik macht – oder wird ihre Musik als „modern“ bezeichnet, weil sie erfolgreich ist.

Durch den Vergleich mit Adele habe ich meine Antwort darauf schon gegeben. Lordes Musik ist nicht bei einer vorgestrigen Ästhetik hängengeblieben.

nail75Ich glaube Gaga wurde einfach von einigen mit etwas zu viel Bedeutung versehen, etwas zu ernst genommen. Irgendwie haben sich alle darauf gestürzt, im Positiven wie im Negativen. Gaga war Heilige und Hexe, Retterin und Untergang der Popmusik. Alles krass übertrieben. Moderate Einschätzungen gab es kaum, dabei hat ihre Musik eben auch viel Mittelmaß zu bieten. Aber weil so wenige Leute moderate Erwartungen hatten, sind schwächere Verkaufszahlen gleichbedeutend mit einem Riesenflop.

Das ist aber nunmal das große Verdienst Gagas, dass sie die Phantasien der Welt, von Musikkritikern wie von Bunte-Seiten-Lesern beflügelt hat, dass bei ihr Pop mal wieder ein wirkliches Ereignis war. Etwas, was so glamouröse Erscheinungen wie Deafheaven und Die Höchste Eisenbahn nie schaffen werden (jetzt müssen mal wieder des Captains Favoriten dran glauben, setze einfach deine aktuellen Faves an deren Stelle ;-)). Und natürlich schafft man so etwas nicht mit feinziselierten Klängen, bei denen der kultivierte Connaisseur sich sicher und heimelig fühlen darf. Gagas Musik war und ist laut und groß und raumgreifend. Wer „ArtPop“ nicht nur in 30-Sekunden-Schnipseln gehört hat, dem muss aber eigentlich aufgefallen sein, dass Gaga hier versucht hat, weniger populistisch als auf „Born This Way“ zu sein und dem eigenen Kunst-Anspruch näher zu kommen, ohne jetzt so zu tun, als sei sie P. J. Harvey oder Soap & Skin.

Den kommerziellen Quasi-Fehlschlag muss man auch im Kontext sehen – die Alben von Miley Cyrus, Katy Perry und Britney Spears sind in diesem Jahr genauso weit hinter den Erwartungen geblieben, die neue Beyonce wird jetzt geradezu verschämt auf den Gabentisch geschmuggelt und im Rihanna-Camp gibt es sicher schon einen Krisenstab. Der Erfolg Lordes ist möglicherweise ebenfalls Zeichen einer Strömungsänderung im Mainstream.

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