Re: Pink Floyd – The Wall

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wotan

Registriert seit: 11.09.2007

Beiträge: 6

Das ist ja mal ein interessantes Diskussionsthema.
Ich bin gerade zufällig darauf gestoßen und gebe mal meinen (provokanten aber ersnt gemeinten) Senf dazu.
(Fans lesen lieber nicht weiter. Das wird ein ganz übler Verriß *lach*).

*aufshoheroßsetz*

Ich bin in den 70ern geboren, aber als Kind und Jugendlicher nie mit „The Wall“ in Kontakt gekommen. Tatsächlich ist es gerade mal drei oder vier Jahre her, daß ich „The Wall“ zum ersten mal hörte, oder besser „sah“.
Freunde von mir luden mich zu einem Videoabend mit unbestimmtem Programm ein. Man einigte sich dann auch „The Wall“ und ich dachte “ Naja, knennst Du nicht aber ein Musik- oder Konzert-Video von einer Rockband kommt eigentlich immer gut“.
Und dann kam es….
Ich habe noch nie ein derart krankes Machwerk gesehen, wie diesen Film.
Negativ bis in den letzten Frame, keine, aber auch gar keine noch so kleine Chance wurde ausgelassen, um die Stimmung noch weiter zu drück. Perspektiven, Positives oder auch nur der Ansatz des Protagonisten mal die Initiative zu ergreifen und mal selbst was zu tun wurden konsquent außen vorgelassen. Schlimmstes Selbstmitleid vor der Kulisse von Kiregsgewalt und Systemschlechtigkeit werden vorgeführt und als ausweglos dargestellt.
Die Bildsprache ist dann nochmal eine ganz eigene Sache.
Natürlich muß neben Pink im Bett mal kurz ein verwester Toter liegen, die oft als „leere Gesichter“ verharmlosten Wall-Masken sehen eher aus wie verkrüppelte Fratzen bemitleidenswerter Lepra-Kranker und daß Pink zum guten Schluß noch in ein völlig versifftes Klo greift um sich dann in weltentrücktem Wahnsinn die Finger abzulecken ist schon fast wieder lustig.
(Ich sehe direkt ein paar 16jährige Hobbyfilmer vor mir, die „auf etwas aufmerksam machen wollen“).
Als der Film zuende war mußten meine Freunde dann erstmal eie längere Diskussion durchstehen, was das denn jetzt sollte.

Da ich einigermaßen musikalisch bin und an guten Musikdramen meine Freude habe, habe ich dann doch mal angefangen im Internet zu recherchieren und ein paar Hintergründe zu bekommen um zu verstehen, „was das denn sollte“ und wenigstens mal die musikalsiche Seite genauer anzuschauen.
Die Songs hatte ich beim Schauen der Bilder, komplett paralysiert von diesem Depri-Wahnsinn, gar nicht wahrgenommen.
Mittlerweile kenne ich die komplette Entstehungsgeschichte, die Bandgeschichte von „Pink Floyd“, besitze das (live-)Album sowie den Film auf DVD …. und kann mich nach wie vor nicht damit anfreunden, weder musikalisch noch inhaltlich.

Gut, wir leben im dritten Jahrtausend und Tontechnik wie Spielkultur haben sich rasant entwickelt. Als Zeitzeuge habe ich „Pink Floyd“ nicht erlebt und sie mögen ihren Beitrag zur Entwicklung der Musik geleistet haben. Aber was mit Songs wie „In the flesh“ oder „Goodby cruel world“ abgeliefert wird, ist vom Musikalischen her auf dem Niveau einer Schulband. Der Gesang von „Roger Waters“ ist in den meisten Fällen eine echte Zumutung („Bring the boys back home“ Katastrophal! Hääte er da geschwiegen, könnte man sich das sogar anhören. Aber dieses Geschrei dadrüber…) . Neben diesen Defiziten sind Songs wie „The show must go on“ und „Run like hell“ auch noch komplett an ihrem Inhalt vorbeikomponiert. Die Musik untermalt die Aussage nicht, sondern ist halt auch noch da….entgegen der ituation relativ fröhlich und gelöst, in sich aber nichtssagend.
Was man an „Mother“ finden soll, ist mir völlig schleierhaft. Das klingt eher nach Hippies und Geschrammel am Lagerfeuer als nach ernst zu nehmender Programm-Musik.
Herrausragend sind Songs wie „Good by blue sky“, der interessante Chöre bietet, „Comfortably numb“, das immerhin eine Melodie hat und „The Trail“, das sowas wie eine Geschichte erzählt und dramtisch angelegt ist (und dabei noch nichtmal von „Pink Floyd“ ist, sondern vom Produzenten beigesteuert wurde). Auch wenn mir die Aussagen dieser Songs nicht gefallen, sind sie wenigstens schonmal gut gemacht. (Nebenbei: Auch wenn das Gilmour-Solo von „Comfortably numb“ gut ist, ist das lange kein „Übersolo“. Das kann ein Eddie van Halen oder gar Steve Lukather nochmal ein paar Etagen besser).
Gut, man sollte das nicht rückblickend betrachten, aber es wird ja oft behauptet, daß „Comfortably numb“ der beste „Song aller Zeiten“ sei.

Mit der Charakterisierung „zu bombastisch“ bin ich auch vorsichtig. Mit Bombast hat „The Wall“ wenig zu tun. Das mag zwar alles „laut“ sein, das ist aber nicht alles. Von den Arrangements eines Jim Steinman ist „The Wall“ Ozeane entfernt.
Überhaupt wird hier zu deutlich versucht, musikalische und dramaturgischen Schwächen durch Effekte wettzumachen. Man muß sich fragen, warum Dialogfetzen, Atmos und Megafonstimmen überhaupt nötig sind.

Besonders wundert mich die hohe Verehrung dieses Albums angesichts des schwachen musikalischen Inhalts. Vieles lebt im Text, ist aber nur äußerst schwach unterlegt. Das scheint aber sehr viele Leute wirklich anzusprechen.
Ich setze mich mal auf das hohe Roß zu behaupten, daß Roger Waters vor allem für „Nichtmusiker“ schreibt.
Er hat mal in eienm Interview gesagt, „The Wall“ würde jeden ansprechen, da jeder mal in Alter von 15 oder 16 aus dem gewohnten Trott ausbrechen und selbstbestimmt leben will. Und ich glaube er hat da mehr Recht als ihm lieb ist. „The Wall“ ist durch und durch pubertär. Bis auf wenige Ausnahmen mit entsprechendem Intrumentarium und der „Ich weiß es noch nicht besser“-„darauf aufmerksam-mach“-Keule konzipiert und gespielt.
„The Wall“ wird oft „zeitlos“ genannt. Meien meinugn dazu ist, daß viele Hörer, die es mit 15 oder 16 gehört haben, Zeit Lebens beeindruckt bleiebn, jeder aber, der es später hört, seine Probleme damit habe wird.

Um so erstaunlicher, daß bei den dokumentierten live-Aufführungen dieses Stückes tatsächlich sowas wie Stimmung aufkam.
Weder die Musik noch die Ausrichtung geben das her.

„Was will uns der Künstler damit sagen?“

Diese Frage habe ich mir oft gestellt und finde keine Antwort darauf.

*vomhohenroßspring*

Das verwunderlichste ist, daß ich mir hin und wieder den einen oder anderen Song doch noch anhöre um mich wieder darüber zu ärgern, was das für ein Unsinn ist :o).

Gruß
Wotan

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