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Anonym
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Auch wenn weilstein meinen Standpunkt hinreichend klar und nachvollziehbar gefunden hat – danke, freut mich! -, will ich dennoch nachfassen.
Hilfsweise sag ich jetzt mal einfach ganz naiv: In den Naturwissenschaften gibt es, zumindest nach Laienverständnis, so was wie Objektivität: Messbarkeit, Überprüfbarkeit, Falsifizierbarkeit etc pp. Ja, ich weiß, ich bin naiv. Sag ich doch! Natürlich ist das mit der „Objektivität“ noch viel komplizierter. Aber Schwamm drüber.
Denn klar ist: Bei der Auseinandersetzung mit Musik gibt es Objektivität jedenfalls nicht. Überhaupt nicht. Ganz und gar nicht. Auch wenn Monroe Stahr glaubt, das gäbe es – vergiss es! Keine Objektivität. Nirgends. Es ist völlig unmöglich, objektiv zu beweisen, dass Jazz besser ist als Blasmusik. Es ist sogar, Gott sei’s geklagt, völlig unmöglich, objektiv zu beweisen, dass Scott Walker um 63 Prozent qualitativ wertvoller ist als Lena Meyer-Landrut. Ob Du nun die Zahl der Akkorde nimmst oder handwerkliche Kategorien wie instrumentaltechnische Fertigkeiten oder noch zwei Dutzend andere Kriterien – das führt alles zu nichts (höchstens zu der Einschätzung, dass der Gitarrist von Toto ein objektiv besserer Musiker sei als Bob Dylan, was ich natürlich bestreite!). Egal, wie Du argumentierst: Irgendjemand wird kommen und sagen: „Ich finde aber Lena besser, und für mich persönlich ist das objektiv so.“ Und dagegen gibt es kein objektives Argument. Darf es auch nicht geben. Denn wenn Hal Croves es so hört, dann hört Hal Croves es so, und kein Mensch kann ihm befehlen, dass er sich gefälligst einen anderen Satz Ohren anzuschaffen habe.
Dass aber Hal Croves für seine Haltung mit so großem argumentativem Aufwand wirbt, finde ich (auch wenn ich ihn anfangs mal für einen PR-Agenten Lenas gehalten habe; Entschuldigung, ich nehm’s zurück) komplett richtig. Denn genau darum geht es, wenn sich mehrere Leute (in einem Forum oder in der geisteswissenschaftlichen Community oder wo auch immer) mit Musik oder allgemein mit Kunst befassen: Beurteilungen und Wertungen sind niemals Berechnungen, es geht immer ums Hören und Drüber-Streiten, Vergleichen und Argumentieren. Was für den Naturwissenschaftler die Messung ist, das ist für den Geisteswissenschaftler die Debatte. Keine objektive Wahrheit wird dabei jemals rauskommen – aber womöglich Erkenntnisgewinn, vertieftes Verständnis und neue Lust, Unbekanntes zu entdecken.
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