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captain kiddDoch, wirklich. Um bei meinem Beispiel zu bleiben. Dort heißt es in einer Passage:
And I just left Safeway, when I walked through my doorway
When a guy took a bullet to an island and shot up a bunch of little kids up in Norway
Called a few of my friends round here, but no one much really cared
But I did, because I’ve got a lot of friends thereDas ist einfach schrecklich ungelenk und auch ein wenig anmaßend. Ich meine, JEDER war über diese Sache doch wohl schockiert und nicht nur, weil man vielleicht jemanden in Norwegen kennt. Das ist entweder schlechte Lyrik oder schlechter Charakter.
Um „Benji“ ganz zu umreißen, müsste ich weiter ausholen, dafür fehlt mir heute leider die Zeit – aber ich werde das Album noch umfänglich würdigen, irgendwann.
Dass sich mancher an „Prayer for Newtown“ stört, habe ich bereits gelesen – und es verwundert mich, da Mark hier einerseits deutliche Worte findet, ich aber keine Anklage oder gar Moral erkennen kann. Der Track funktioniert ja auf mehreren Ebenen: Er ist einerseits ein Abtauchen in frühe Erfahrungen, dann ein „Mitlerleben“ von Ereignissen und zuletzt ein Reflektieren über die Zeit. Kozelek verarbeitet hier einerseits das Massaker 1984 in San Diego, die Anschläge auf Utøya, den Amoklauf von Aurora, die Angriffe auf das Clackamas Town Center in Oregon und an der Sandy Hook Elementary School. Die Frage ist stets die Selbe: Warum wiederholen sich diese Dinge immer wieder aufs Neue? „It was everyday America and that’s all“. Was Du „schlechten Charakter“ nennst, sehe ich als offene Frage, eine ähnliche, die sich auch Callahan in „America“ stellt. Egal zu welcher Zeit er den Fernseher anschaltet, tropft Blut aus dem Bildschirm – wieder Attentate, wieder Schockmomente, wieder Berichte, dann Resignation und das Zurückkehren in den Alltag. Und doch kehren die Ereignisse wieder – „I felt it coming on, I felt it in my bones and I don’t know why“. „Prayer for Newtown“ ist für Kozeleks Verhältnisse sehr klar dargestellt, es lässt keinen Moment aus, der Song ist wie ein Gespräch, in dem die Ohnmacht den Dingen gegenüber geschildert wird, die Frage im Raum steht, ob einen Gewalt nur noch berührt, wenn man selbst „betroffen“ ist und ob Massaker schon Teil der Normalität geworden sind. Daher auch der Break zuletzt: Wenn Du glücklich bist, dann halte kurz ein und gedenke den Menschen, die alles verloren haben.
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Hold on Magnolia to that great highway moon