Re: Alice Coltrane (1937-2007)

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vorgarten

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gypsy tail windInteressant – ich denke grundsätzlich schon, dass man Interpretation nicht-linear denken kann. Cecil Taylor etwa höre ich auf einiger seiner besten Aufnahmen, ca. zwischen „Unit Structures“ und der Band von 1978 (die für mich ein Höhepunkt seines Schaffens darstellt) auch nicht linear, sondern in einer Art An- und Abschwellbewegung, in Energieleveln, die in einander übergehen. Energie ist für mich bei Taylor ein Schlüsselbegriff zum Verständnis, bei Alice Coltrane wäre es ein anderer, Meditatoin klingt vielleicht zu banal, aber wenn man den Sinn, in dem man von einem Kunstwerk sagen kann: „Das ist eine Meditation über …“ miteinbezieht, kommt er mir nicht gänzlich unpassend vor. Ich hörte auch mal ein Brötzmann-Konzert (Full Blast), bei dem die Musik extrem energiegeladen war, in dem aber fast gar keine Bewegung stattfand, sondern eigentlich alles stets an Ort blieb – das gefiel mir nicht sehr gut, beeindruckte aber nichtsdestotrotz. Die besten Momente waren dann aber die, in denen Brötzmann mit dem Altsaxophon aus dem ganzen statischen Gefüge auszubrechen in der Lage war … und das, um einen Bogen zu Alice Coltrane zu schlagen, gelingt Pharoah Sanders meines Erachtens nicht (gelingt ihm auch bei John Coltrane nicht, er ist eher auch ein statischer Gegenpol zur Entwicklung John Coltranes, eine Folie, ein Teil der Klangkulisse, mit der er sich so um 1966 umgab). Die Statik alleine, das irgendwo verharren, das ist vielleicht aus das zentrale Element des fernöstlichen Einflusses auf Coltranes Musik – mich alleine macht das nicht glücklich, wenn es zum Endzweck wird, aber als Element in einem Ganzen kann es natürlich sehr faszinierend sein – wenn sich eben wie das auf „Ptah“ dann wohl geschieht, Stimmen daran abarbeiten, daraus emporsteigen, um wieder ins Ganze zurückzufallen, wenn daraus quasi ein sich Ausdehnen und wieder Zusammenziehen wird, das wiederum nicht nach einem allzu gleichtönigen Schema erfolgen sollte.

bin gespannt, wie du sanders auf PTAH hörst. ich mag sanders ja vor coltrane und nach seiner wilden impulse-zeit sehr – finde auch, dass er seitdem einen der schönsten tenorsounds hat, den man überhaupt zu hören kriegt. aber gegen das, was du hier schreibt, gibt es wenig zu sagen.

klar, energie ist auch nicht das kriterium für alice. meditation? weiß nicht, sie würde wahrscheinlich zustimmen… dichte wäre es für mich oft – auch so eine beweglichkeit im ton-haufen, im verhallten und verschmierten… es sind ja doch immer rhythmische akzente drin, auch harmonische angebote, die vom ausgang einerseits weggehen, aber auch stehen bleiben, deshalb die idee von layern oder überlagerungen.

gypsy tail wind
(Aber entschuldige, auf welchen Punkt bezieht sich jetzt genau das „siehe oben“?)

du sprachst in dem post, auf den ich mich bezog, wieder von richtungslosen arpeggi, von erdung und höhenflug…

gypsy tail wind
Vorhin hörte ich mir gleich mehrmals am Stück „Huntington Ashram Monastery“ an – ich kannte das Album kaum und habe es seit Jahren nicht gehört – es ist ein Schritt vorwärts nach „A Monastic Trio“, so wie ich es höre. Nicht nur das Harfenspiel ist besser, überhaupt funktioniert die ganze Musik besser. Carter passt hier in der Tat sehr gut, sein Spiel ist flächiger als das von Garrison, auf der Skala von „gehört“ und „gefühlt“ etwas weiter auf der „gehört“-Seite. Seine harmonischen bzw. melodischen Einfälle sind vermutlich spannender, dafür höre ich ihn (was wieder mit der genannten Skala zu tun, dem weniger stark „Gefühlten“) in Sachen Fundament als etwas weniger stark. Aber das macht nichts, weil Coltane selbst in dieser Hinsicht einen grossen Schritt gemacht hat und ihre Musik langsam ein Zentrum findet. Allerdings, weil ich ihn oben ja schon lobte: ich hätte lieber Rileys präzises, trockenes Spiel als Alis ausuferndes dabei. Aber insgesamt gefällt mir das Album doch deutlich besser als „A Monastic Trio“.

da sind wir uns also einig. komisch, dass das album so viel unbekannter ist als MONASTIC TRIO. vielleicht liegt es am LOVELY SKY BOAT, der auf dem debüt ja schon ein kleiner hit war und auf vielen samplern zu finden ist.
bei allem respekt vor riley – das, was rashied ali hier auf PARAMAHANSA LAKE macht, ist einfach nicht zu toppen! ali höre ich als einen wirklich genialen, völlig originellen drummer, ohne einen einzigen schwachen moment in seiner diskografie. aber er begleitet natürlich ganz anders – riley ist viel reaktiver, gerade in bezug auf die spielweise von alice coltrane. ich kenne den sonst eigentlich gar nicht…

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