Re: Alice Coltrane (1937-2007)

#8940619  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,003

gypsy tail wind
Ich erlaube mir mal, das ganze etwas andersherum anzupacken – chronologisch nämlich, in der Hoffnung, die eine oder andere Facette und natürlich vor allem ein paar weitere Eindrücke ergänzen zu können.

sehr gerne & sehr schön!

gypsy tail wind
März 1967 – „Altruvista“ (p-solo; „A Monastic Trio“, Bonustrack der CD-Ausgabe von 1998)

Nun, ob das komplette Musik ist? Die Musik scheint mir nicht sehr geerdet zu sein, die linke Hand geht kaum je in die Tiefe, der Boden ist eher eine Mitte und der Drang geht – und das kann man wohl mit Coltrane*) verknüpfen und mit der spirituellen Suche, die die beiden verband.

der drang geht wohin? ;-) die linke hand geht ziemlich häufig in die tiefe, ab der mitte etwa, oft in zwei-ton-figuren, ist aber auch egal. ich finde das stck immer faszinierender, je öfter ich das höre.

gypsy tail wind
„Lord“ beginnt mit Sanders phantastischem Sound – und lässt, pardon, die CD von 1998 stärker öffnen, als das eigentliche Album (das dann wie erwähnt mit „Ohnedaruth“, dem dritten genannten Quartett-Stück öffnet und vom Quartett zum Klaviertrio und schliesslich zum Harfentrio geht – diese Reihenfolge bewahrt die CD, indem die beiden weiteren Quartettstücke vorangestellt werden und das Solostück von 1967 am Ende nachgeschoben wird).

ja, das finde ich auch – die ersten beiden stücke sind eine große bereicherung des albums und eher stärker als schwächer als der rest. ich finde THE SUN interessanter als LORD…, aber beides ziemlich toll. LORD gehört übrigens bei der alice-coltrane-hommage-band HAMMERIVER (von clare cooper) zum festen repertoire.

gypsy tail wind
Das zweite Stück „The Sun“ gefällt mir viel weniger gut. Das Thema hat zwar einen catchy Hook, aber in all den Arpeggi und dem Gebimmel geht das unter. Düster klingt das für mich nicht sehr, grad im Vergleich mit „Lord“ nicht. Es wird mit der Zeit kraftvoll, als Riley dann auch langsam sein Kit etwas zu nutzen beginnt, aber auch da, nach etwa zweieinhalb Minuten, als das catchy Motiv wiederkehrt, wird ihm sogleich mit einem Übermass an Arpeggi der Garaus gemacht. Die Flöte kann ich übrigens gar nicht hören hier, vielleicht müsste man dazu zu den Kopfhörern greifen, aber das mag ich jetzt nicht tun.

flöte hört man nur ganz schwach, aber das „übermaß an arpeggi“ wird hier allgemein wohl zum knackpunkt des threads. und die „richtungslosigkeit“. ich weiß genau, was du meinst, aber vielleicht muss man die vorstellungen einer „richtung“ überprüfen und arpeggi anders lesen? wären arpeggi denkbar, die nichts „verdecken“, sondern das eigentliche, die substanz sind? kann man eine improvisation nicht-linear denken, als etwas, das eher mit weiteren layern vertieft, aufgefüllt wird und sich nicht in der zeit entwickelt? das sind für mich die fragen, zu denen ich beim hören der musik von alice coltrane heraugefordert werde.

gypsy tail wind

Juni 1968 – „A Monastic Trio“

Alice Coltrane war wohl die richtige Wahl nach Tyners Abgang im John Coltrane Quartet, aber auf sich alleine gestellt, ist sie nicht richtig geerdet, fehlt ihr irgendwie die Mitte. Das mag zwar vor allem Jimmy Garrison streckenweise sehr geschickt zu überspielen, aber es fällt für mich insofern auf, als dass das Klavierspiel dauernd zwischen tollen – und völlig geerdet klingenden – und richtungslosen, oft mit den viel-genannten Arpeggi angereicherten, leichten, schnellen Passagen changiert. Und ironischerweise höre ich in den „guten“ Momenten oft etwas heraus, was Tyner in seiner eigenen Musik wenige Jahre später zu einer Art Post-Coltrane-Mainstream verknüpft hat, diese satten Grooves, das stark akkordische Spiel, die Mischung aus Erde und Höhenflügen – die bei ihm aber meistens aufgeht und ein stimmiges Ganzes ergibt, das ich hier einfach nicht finde. Aber es gibt schöne Momente und gute Ansätze.

siehe oben. spielt sie bei coltrane denn anders als „auf sich alleine gestellt“? mich interessiert sie eigentlich am wenigsten, wenn sie wie tyner klingt, glaube ich. obwohl natürlich die mischung aus bzw. der wechsel zwischen erdung und höheflügen ganz sicher den reiz von vielen AC-momenten ausmacht. ich weiß das alles aber auch noch nicht abschließend, es sind sehr offene fragen.

gypsy tail wind
Übrigens, nebenbei: Terry Pollard hat 1961 auf einem Album von Dorothy Ashby mitgewirkt. Freshsound hat eine verlockende 3CD-Box im Angebot, die aber wieder einige eklatante Schönheitsfehler hat (sie müsste vier CDs umfassen und das tolle Atlantic-Album auch enthalten, und sie müsste natürlich – ich sage das, ohne sie je gehört zu haben – viel besser klingen). Bei Amazon kann man einige Scans mit den Infos einsehen:
http://www.amazon.de/Harpist-Minor-Groove-Winds-Dorothy/dp/B0081SGL9M/

coltrane bezeichnete pollard ja mal als „große schwester“ – detroit sei sehr stolz auf sie gewesen. interessanterweise kam ja dorothy ashby auch aus detroit. zeimlich hohe dichte von jazzharfenistinnen für eine stadt. ich habe von ihr nur die späte AFRO HARPING, die ich sehr mag. HIP HARP gfiel mir gar nicht.

--