Re: bft#13 – vorgarten

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Dann wollen wir mal!

Track 01

ein kleiner musikalischer Scherz aus dem vorgarten. Ich weiß das ist es nicht, aber könnte fast Musik zu einem Stummfilm sein. Ist das aus der entsprechenden Zeit? Vielleicht aber auch nur ein kleiner Scherz der Musiker. Sie scheinen sich jedenfalls prächtig zu amüsieren. Ich auch. Ein sympathischer Einstieg.

Track 02

Eine Marimba, ein Instrument, das ich sehr gerne höre (und besitzen würde!). Steve Reich hat das oft und gerne eingesetzt. Im Jazz hört man die Marimba hingegen seltener. Ich wüsste eigentlich auch kaum jemanden, der sie gespielt hat, jedenfalls nicht als Hauptinstrument. Ich weiß aber einen, der die Marimba hin und wieder gespielt hat. Ein gebürtiger Brite? Charmantes, lässiges und fröhliches Stück. Tänzerisch. Gefällt mir gut. Die kleine Klezmer-Einlage am Ende irritiert mich allerdings. Müsste jemand mit jüdischen Wurzeln sein, oder?

Track 03

Sonnenuntergang in der Beach Bar, Cocktails, Easy Listening. Mit den Rufen der Musiker bekommt das etwas albernes. Aber nicht uncharmant. Was der Pianist mit der linken Hand macht, erinnert an das Motiv von SONG OF MY FATHER. Ein show tune, oder würde vorgarten diese Charakterisierung brüsk zurückweisen?

Track 04

Zuerst dachte ich Wes Montgomery. Ist er aber nicht, oder? Auch nicht der frühe George Benson, aber schon die Erwähnung dieses Namens wird mir hier womöglich übel genommen. Jim Hall? Never ever! Der Gitarrensound ist zupackender und derber. Der Saxofonist hält sich auch nicht zurück. Creed Taylor könnte seine Finger mit im Spiel haben, das Bläserarrangement klingt etwas nach einer Produktion von ihm. Müsste eigentlich ein größerer Name sein, den diese Bläser muss man sich leisten können. Die Tempowechsel irritieren etwas und machen es raffiniert. Eins der heißesten Stücke dieses Mixes und kann mich daher auch nicht kalt lassen.

Track 05

Wieder Gitarre und wieder ein mir vermutlich unbekannter Gitarrist. Sehr schön altmodische Orgel. Das hat auch wieder was von der Bar mit Blick auf den Sonnenuntergang über dem Meer. Bossa Nova, aber vermutlich nicht von Brasilianern.

Track 06

Ein schönes lässiges Sax. Tänzerische Flöte. Kaum angefangen und schon vorbei, bevor ich viel dazu sagen kann.

Track 07

Das kenne ich, da ich das Stück auf einer compilation habe. Das Stück schließt mit seiner leichten gelassen, verträumten und schmusigen Stimmung sehr schön an Track 06 an. Tolle, leichte, sehr feminine Stimme. Gegen Ende zieht sie etwas an, schöne Dramaturgie. Die dezente, fast nur getupfte Begleitung ist auch ganz wunderbar. Das Stück hätte eigentlich ein Hit sein müssen, aber aus welchen Gründen auch immer hat die Sängerin es nicht geschafft.

Track 08

Es bleibt gelassen und verträumt. Hat etwas afterhours-Athmosphäre, als würde der Pianist nur für sich allein spielen, bis Bass und Drums einsetzen und das Stück etwas mehr Fahrt aufnimmt. Nett!

Track 09

Auch hier scheint jemand vor allem für sich selbst zu spielen. Fängt auch wieder eher verträumt an, wird dann aber tänzelnd und fängt fast an zu grooven. Der Trompeter erlaubt sich hier mal brüchige Töne oder einfach mal die Tonleiter rauf und runter zu spielen und lässt es bloß noch zischen und rauschen. Klingt ein bisschen so, als spiele er sich warm oder probiere aus, was so geht. Ich würde nicht sagen, dass mir Bläser solo-aufnahmen besonders zusagen und höre dies eher als so eine Art Kabinettstückchen. In diesem Zusammenhang mit den anderen Stücken ergibt es aber Sinn.

Track 10

Das ist jetzt aber ein Vibraphon, oder? Nee, ein irgendwie digital klingendes E-Piano und doch wieder eine Marimba! Und der späte Miles auf der Trompete? Bestimmt nicht, aber nah dran. Wenn ich nicht wüsste, das man zu dritt nicht für sich alleine spielen kann, würde ich sagen, diese drei tun es.

Track 11

Nanu? Diesen Bruch verstehe ich jetzt überhaupt nicht. Nur Trompete und Drums. Nervöser Puls, die Trompete ziemlich frei darüber flatternd. Kann nicht erkennen, wie dieses Stück in den Mix passt. Ist nicht meine Tasse Tee.

Track 12

Zuerst dachte ich Time After Time. Knüpft eigentlich eher an Track 10 an als an Track 11, finde ich. Das ist aus den 80ern? Sehr schmusig, ein bisschen easy listening und durch die Produktion auch noch mal extra weichgespült. Ganz hübsch aber doch ganz schön zuckrig.

Track 13

Das ist eine von vorgartens Lieblingssängerinnen. Auf you tube gibt es ein Video von ihr mit beeindruckender Brille. Würde ich nicht kennen, wenn er sie mir nicht einmal auf Tonträger vorgestellt hätte. Die klingt obercool, erstaunlich eigentlich, wenn man in Betracht zieht, dass Englisch nicht ihre Muttersprache ist. Vielleicht ein bisschen geschauspielert aber verdammt gut und absolut originell. Wenn man die Sängerin weiß, kommt man auch schnell auf den Bassisten.

Track 14

Flöte, Bass, Sommerabend am See und wieder zwei die nur für sich allein bzw. sich beide zu spielen scheinen, ohne irgendeinen Druck. Die Gedanken bzw. Töne treiben bald hierhin, bald dorthin, die Vögelchen zwitschern … Hübsch!

Track 15

Was für ein feines Stimmchen auf dem Sax, aber auch leicht gebrochen. Die Begleitung ist sehr gelassen und zurückhaltend, fast träge und etwas nachlässig. Das Sax eigentlich auch, aber genau das macht die Stimmung aus. Böse Zungen könnte sogar behaupten, das ist etwas geschlampt. Die Zügel hängen schon seeehr locker. Aber ich glaube gerade diese oberlässige Stimmung, die das ausstrahlt, mag ich.

Track 16

Es wird immer zurückhaltender. Zuerst dachte ich, der Bassist schläft gleich ein, wenn nicht bald was passiert. Das Piano bringt dann aber sogar eine bluesige, understated groovende wenn auch sehr träge Note rein. Die drei scheinen auch wieder alle Zeit der Welt und keine Eile zu haben um möglichst schnell von A nach B zu kommen. Der Pianist spielt fast schon aufreizend mit dem Tempo. Monk in super Slo-Mo, hier und da mal ein paar Töne fallenlassen und dann schnell wieder auflesen. Das erzeugt Spannung. Könnte auch ein bisschen nachlässig erscheinen, ich glaube aber eher dass der Pianist hoch konzentriert ist und sehr genau weiß, was er da tut, dann die Spannung reißt ja nie ab. Das ist nicht nachlässig, sondern lässig.

Track 17

Okay, da ist am Anfang auch wieder so eine Lässigkeit, erst wird mal so ein bisschen ziellos rumgedaddelt, bis man zur Sache kommt und dann wird es nervös. Den Sound des E-Pianos mag ich, aber sonst ist auch dies nicht meine Tasse Tee. Was sind das für eigenartige pfeifende und heulende Sounds? Da manipuliert jemand am E-Piano, oder? Eine Free Fusion-Sache? Verstehe auch hier nicht so ganz, wie dieses Stück in diesen Mix passt.

Track 18

Ist dies das versprochene Disco-Stück? Ist nicht so ganz Disco, oder? Eher so ein 70er/früh 80er R&B. Dachte für einen Augenblick, die Mizell Bros. hätten da die Finger mit drin. Eine sehr professionell gemachte und slicke Sache. Jazzern wird gern mal übel genommen, wenn sie so was machen, aber wenn es aus der R&B- Ecke kommt, ist das dann okay … Das steht auch in krassem Gegensatz zu vielen der entspannten Stücke dieses Mixes: Sehr dicht, sehr lebhaft, sehr funky, sehr funkelnd und auf dem dencefloor sicher ein Knüller. Praktizierte Lebensfreude! Ich habe keine Ahnung, wer bei dieser Aufnahme eigentlich der Leader sein könnte. Der Sänger ist es jedenfalls nicht, oder jedenfalls nicht in der Rolle des Sängers. Dann ist es doch eher die Musik des Produzenten mit lauter Studio-Cracks.

Vielen Dank für diesen Blindfold Test. Mir ist aufgefallen, dass sich eine gewisse sommerliche (?) Trägheit durch weite Teil des BFT zieht, was ich als Thema sehr reizvoll finde. Dem gegenüber stehen dann aber auch ein paar andere Stücke, die völlig konträr dazwischen schießen. Eigenartig.

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“There are legends of people born with the gift of making music so true it can pierce the veil between life and death. Conjuring spirits from the past and the future. This gift can bring healing—but it can also attract demons.”                                                                                                                                          (From the movie Sinners by Ryan Coogler)