Re: Prinz Porno/Prinz Pi

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irrlicht
Nihil

Registriert seit: 08.07.2007

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SokratesIch ergänze: Statt Selbstbezüglichkeit hätte ich „Selbstbespiegelung“ sagen sollen, die bei mir deutlicher negativ besetzt ist, zu der z.B. laute Eitelkeit gehört, wie man sie im Hiphop nicht selten findet. Das ist bei Pi anders: Aus seinen Texten spricht eine Sensibilität, eine Verletztlichkeit, eine Introspektion. Und da redet nicht nur einer von sich selbst (Subjektivismus), sondern ich habe das Gefühl, das, was er berichtet, gilt auch für andere. Dadurch diese Vorstellung von der Stimme einer Generation/eines Lebensgefühls.

Ich mag den Mann ja schon sehr gerne, speziell für seine Eigenheit, aber uneitel kann ich ihn als Person nicht finden (hat diverse Gründe). Ich muss in dem Fall aktuell auch den Harry Rag geben: Das Problematische ist, dass die Ebene, die Kautz mittlerweile erreicht, die ist, die er als Künstler früher verachtet und gerne geteert und gefedert gesehen hätte – nämlich die ein Sprachrohr zu sein, eine „Message“ zu verkünden, die „Stimme einer Generation“ zu sein. Und das bis zu einem gewissen Grad sogar zu genießen, im Mainstream aufzugehen und sich dabei natürlich weiterhin als „Underground“ zu stilisieren. Ich vermute, der Kreis, der sich gegenwärtig um Pi schließt sind mehr und mehr keine HipHop Heads – sondern Leute mit Gucci Parfum und Karohemd, Mittdreißiger, die auch auf der Suche nach Ihrer verlorenen Jugend sind, Leute, die auch ganz dolle sozialkritisch sind in ihrem Dolce & Gabbana Shirt. Du magst sagen: Der Künstler sucht sich seine Klientel nicht aus. Stimmt auch. Und bisher habe ich Pi sehr geschätzt: Als Denker und Texter, für seine mitunter sehr feinsinnigen und ja, ehrlichen Texte, seine Sinnkrisen, seinen Hang zum Querschlag, seinen Eigensinn. Ja, für seine subtile Herangehensweise – die gerade im HipHop stets wichtig ist.

Gegenwärtig habe ich aber das Gefühl, dass ihm das große Publikum sehr gefällt, mehr als ihm lieb ist. Da gibt es groß angelegt Spezialboxen mit Stickern und Kappen, da ist jede Tour ausverkauft, da erreichen die Alben Goldstatus, da wird mit den Klick- und Followerzahlen kokettiert, da werden kritische Kommentare bishin zum kompletten Gesprächsstrang einfach gelöscht, weil es nicht zum Dauerjubel passt – kurz: da passt eine stumpfe Single wie „Im Westen nix Neues“ super in die Karten. Es spricht nichts dagegen Jahrhundertsongs zu schreiben, die irgendwann Stadien mitsingen – es spricht aber etwas dagegen sich zu einem Produkt zu machen und auf Effekt hin zu produzieren. Es gibt keine Zeile darin, die Porno nicht irgendwann schon besser zu Papier gebracht hätte.

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Hold on Magnolia to that great highway moon