Re: Die besten Tracks von Nina Simone

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nikodemus

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4. Ain’t Got No/I Got Life (Single/’Nuff Said)
Ursprünglich zwei Songs aus dem Musical “Hair”, mixte Simone beide Songs zu ihrer poppigsten Nummer überhaupt und errang immerhin mit der Single den 2. Platz in den UK Charts. Auch wenn „Ain’t Got No“ ursprünglich von den Utopien von Hippies auf Drogen handelte, passte er wunderbar in das Repertoire der Bürgerrechtlerin und Freiheitskämpferin. Im ersten Teil („Ain’t Go No…“) singt Simone über all Dinge, die ihr nicht gegeben oder weggenommen wurden… Heimat, Eltern, Kinder, Freunde, Schulbildung, Jobs, Kleidung und andere materiellen Dinge. Interessant zu hören, wie sie auf Live-Aufnahmen diese Dinge beliebig aneinanderreiht oder spontan erfindet. Der Song wendet sich im zweiten Teil: Simones Stimme vibriert, die Melodie bricht und wird hoffnungsvoller und mit einem Mischung aus Stolz und Zorn zählt sie alles auf, was ihr nicht genommen werden kann: Hirn, Herz, Arme, Beine, Leber…sprich ihr Leben. Reiche, Weiße, Regierungen etc. können ihr – als (schwarze) Minderheit – alles nehmen im Leben, doch auch deren Macht endet irgendwo und niemand verkörperte dieses Gefühl musikalisch und als Person stärker als eben Nina Simone. Zwischenzeitlich hat man das Gefühl, Simone singt jede einzelne Zeile über sich selbst, auch wenn wahrscheinlich jede Minderheit sich irgendwo wieder findet. Was jetzt vielleicht wie eine zähe Nummer klingt, wird mit soviel Verve und Rhythmus vorgetragen, dass es mich immer wieder in seinen Bahn zieht: die einleitenden Akkorde auf dem Klavier, die straighten Drums, die wabernde Band und Simones typisches Vibrato, das immer klingt, als würden ihre Stimmbänder über ein Reibeeisen gerieben.

3. I Wish I Knew How It Would Feel to Be Free (Silk And Soul)
Noch eine Bürgerrechtshymne! Und was für ein Song! Zuerst zur Musik: das Klavier spielt eine jazzige Gospelmelodie, handclaps setzen ein und im Hintergrund spielt leise eine Gitarre. Simone singt weich wie Seide die Zeilen über unerfüllte Liebe, Freiheiten und die Ängste, die dieses Leben mit sich bringt. Von Strophe zu Strophe gewinnt ihre Stimme an Fahrt, Bläser setzen ein und heizen die Stimmung an. Was vorher weich und bittend klang, verwandelt sich nun zu einem lauteren und souligem Fordern. Simone sang selten etwas, was so ergreifend war wie diese von Billy Taylor komponierten Zeilen: „I wish I could give all I’m longin‘ to give, I wish I could live like I’m longin‘ to live”. Denke ich an die Grabenkämpfe um die Gleichschaltung aller Ehen oder an die sozialen Aufruhen in der europäischen oder arabischen Welt, dann wird deutlich, dass der Ruf nach Freiheit und Gleichheit stets aktuell ist. Selten erklang er so bewegend und mit so viel Nachdruck wie hier.

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and now we rise and we are everywhere