Re: Prinz Pi – Kompass ohne Norden (12.04.13)

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irrlicht
Nihil

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Mr. BadlandsSag‘ mal, wie kann ich mir die Platte vorstellen?[…]ist die Musik von Prinz Pi mit einem dieser Alben vergleichbar?

Puh, gute Frage. „Kompass ohne Norden“ hat mit all diesen Werken und Künstlern jedenfalls praktisch nichts gemein, außer dass Kautz ein ebenfalls brillanter Beobachter ist. Es fällt mir auch schwer, einen Umriss zu zeichnen, gerade wenn Querverweise und Vergleiche ggf. noch mehr Fragezeichen aufkommen lassen. Ich will es aber versuchen: „Kompass ohne Norden“ ist für mich eine Platte, die viel von dem vermittelt, was ich auch wahrnehme. Der zentrale Anteil des Werkes befasst sich mit dem Thema des älter werdens, mit dem Wesen der Jugend, der Veränderlichkeit von Dingen und natürlich auch mit Gesellschaftswandel, Eigendynamiken, die sich in der Persönlichkeit niederschlagen und anderem. Das klingt zunächst eher theoretisch und nach Facharbeit, ergibt in der Quersumme aber ein ungemein detailliertes Portrait, ein Panoptikum aus Lebensgeschichte, die Kautz mit vielen kleinen Details auskleidet. Mich fasziniert seine Sprache ungemein, da sie einerseits alles andere als überhöht und clever ist, aber sich mit viel Persönlichkeit den Dingen annimmt, die sein Leben und Handeln bestimmen. Es gibt praktisch keinen Track auf diesem Album, bei dem mich nicht eine Reihe von Zeilen erfreuen, nicht weil sie zwingend neu sind, sondern weil ich sie in dieser Präzision viel zu selten höre. Wenn ich „Kompass ohne Norden“ einlege, kann ich die Augen schließen und den Bildern nachfolgen, mich durch trostlose Nächte führen lassen, zu den zerschlissenen Stühlen der Klassenräume meiner Kindheit und lande an dem Punkt, wo sich alles zum besseren verändert hat. Ich kenne kaum einen Track der sich mit größerer Aufrichtigkeit dem Ende von Freundschaften annimmt, wie „Assoziale Kontakte“. In wenigen Tracks, wird neu gewonnen Liebe heroischer zum Blockbuster zugespitzt, wie in „Glück“. Und selten war Verzweiflung besser und herzlicher beschrieben, wie mit der Zeile: „Die letzte Ex ist die Existenz“.

Das ist der lyrische Teil. Ich mag aber auch den musikalischen sehr gerne. Viele werden mit dessen Anschlag wenig Freude finden, da er doch erstaunlich nahe am Pop gelegen ist. Für mich passt das hier alles sehr gut zusammen.

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Hold on Magnolia to that great highway moon