Re: Justin Timberlake – The 20/20 Experience

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captain-kidd

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1. Pusher Love Girl

Der erste Song setzt den Standard für das Album in Sachen Sound, Arrangement und überhaupt. Nach kurzem Streicherintro setzt ein trockener Funkbeat ein, der so auch auf „Voodoo“ hätte erklingen können, und Timberlake schmeichelt einem eine zuckersüße Melodie nach der anderen um die Ohren. Und das in seiner schönsten Michael-Jackson-Stimme. Übrigens Jackson: Die Streichersätze stammen von Benjamin Wright, der eben auch schon mit dem King of Pop gearbeitet hatte. Textlich erzählt uns der Falsett-Meister, dass er ein „junkie for your love“ ist. Der Titel nickt somit deutlich Richtung Curtiy Mayfield und dessen „Pusherman“ – sehr bekonnt wie ich finde. Nach 5 Minuten gelangt der Song auf diese typische Endnote – und beginnt dann quasi neu: Als sein eigener Remix. Producer Timbaland greift in die extratiefe Beat- und Bass-Schublade, während Timberlake Melodie auf Melodie stapelt. Ein ungewöhnliches und mitreißendes Hörerlebnis, das sich mir zunächst jedoch nicht erschlossen hat. Gerade diese Spreitzung der Songs macht dann jedoch irgendwann den besonderen Reiz des Albums aus.

2. Suit and Tie feat. Jay-Z

Nach einem langsamen Streicher- und Rapintro geht es futuristisch beschwingt weiter.Hier wird ein weiterer Kniff vieler Stücke des Albums deutlich: Es gibt im Sound kaum tragende Melodieintrumente. Meist dominiert der Beat und dazu gibt es kurze Licks und verschiedene Geräusche. Halte ich bei einem Mainstreampop-Album für eher ungewöhnlich – und bei einigen Stücken ist es noch deutlicher als hier. Aber auch hier gibt es diese ganz kurze sich wiederholende Keyboardwischer-Phrase, die den Song prägt. Und natürlich die Stimme und die Melodien die sie findet. Später im Song verdichtet sich der Sound, auf einen angehängten Remix wird jedoch verzichtet. In meinen Ohren aber irgendwie der schwächste Track des Albums.

3. Don’t Hold The Wall

Das is so ein typischer Timbaland-Track mit mystischen Vocalsamples sowie verschiedenen Rhythmen und Geräuschen, die sich zu einem ebenso wilden Soundcocktail vermischen, in dem man immer wieder eine andere Soundnote herausschmeckt. Meisterhaft. Der Refrain lebt dann vom Zwischenspiel zwischen den beiden Stimmen – der maschinenartige Timbaland und der emotionale Timberlake auf der anderen Seite. Und wie beim ersten Song: Wenn man denkt, dass das Lied jetzt seinen Endpunkt gefunden hat, legt Timbo nochmal richtig los. Subbässe, Casiosnares, tänzelnde Hi-Hats, gluckernde Timbalands-Sounds. „Well, how do you like it?“ fragt eine Stimme. Die Antwort gibt Timbaland selbst: „You shouldn’t have to ask me that question.“

4. Strawberry Bubblegum

Auch hier fehlt letztlich ein tragendes Melodieintrument ohne das es wirklich fehlen würde. Timbaland wirft verschiedene Blips-Beats auf den Tisch, darüber gleiten ein paar Ambient-Keyboard-Tupfer und Timberlake vergleicht smooth jauzend seine Angbete mit einem „Strawberry Bubblegum“ – oder nur bestimmte Körperteile von ihr? Wer kann das schon sagen… Ein sexuell sehr aufgeladener Titel, bei dem Timberlake dann aber immer den Verschmitzer-Junge-Notausgang findet. Nach fünf Minuten wechselt der Sound dann wieder komplett: Casio meats Thriller – und Timberlake jauchzt einfach weiter. Ganz zauberhaft naiv.

5. Tunnel Vision

Meiner Meinung nach einer der stärksten Tracks. Ein Timbaland-Trademark-Ding. Gescratchte Vocalsamples, tiefer Cry-me-a-river-Beat mit stolpernden Hi-Hats, Ambiemt-Keyboard-Tänzchen und dramatische Streicher-Spitzen. Darüber singt Timberlake eine seiner schönsten Melodien, die er jenga-mäßig immer höher schichtet. Später zaubert Timbaland dann noch seinen patentierten Human-Beatbox-Sound herbei, es gibt Reverse-Keyboards, eine Indierock-Bridge und Bass, Bass, Bass. Meine Fresse. Wie lange arbeitet man bloß an so einem Soundbild? Tausend Details aber nie überladen, kein ornamentenhafter Tand – vielmehr hat jeder Ton eine Funktion. Ein Wahnsinn.


6. Spaceship Coupe

Hier slown es die beiden mal etwas down. Erinnert mich im Sound etwas an die von R. Kelly produzierten Isley Brothers. Ich liebe dieses verzerrte Keyboard und vor allem dieses glockenhafte Space-Geräusch im Refrain. Und wenn dann noch ein Talkbox-Midigitarrensolo kommt, weiß ich auch nicht mehr weiter. Astreiner Prog-R&B – wobei der Zusatz „Prog“ bei faulen Leuten wie mir immer bedeutet, dass etwas kunstvoll erhöht klingt. Oder so ähnlich. Wenn man das Solo hört, klärt sich das alles auf.


7. That Girl

Ein traditioneller R&B- oder Soulstampfer mit Pseudo-Livefeeling. Der luftige Sound ist eine wiIllkommene Abwechslung, um sich nicht in den verschiedenen Sound und Ideen zu verlieren. Einfach ein schönes Lied, das Timberlake herausragend singt. Die Bläser sind natürlich top-notch und ein paar kleine Tricks hat Timbo natürlich auch hier auf Lager. Wie wäre es zum Beispiel mit Doo-Wop-Gesängen oder einem Double-Time-Refrain. Relaxing Stuff.

8. Let The Groove Get In

Der Song klang mir zunächst zu sehr nach einem Fußball-WM-Jingle so Shakira-Style – und ein wenig ist das auch so. Aber die Bläsersätze sind schon funky und treiben den ganzen Song voran. Der Sound nickt nach Afrika und natürlich zum King of Pop. Das schnellste Lied des Albums gönnt sich immer wieder kurze Atempausen und findet zum Ende dann einen neuen Beat. Die Coda ist traumhaft – und JT wird endgültig zu MJ.

9. Mirrors

Obwohl sich der Beat deutlich bei „Cry me a river“ bedient, sind beide Songs komplett verschieden. „Cry me a river“ war traurig, böse, zerrisen – „Mirrors“ klingt eher nach Hoffnung und Zufriedenheit. Als hätte jemand nach langem Kampf gegen alles und nichts nun endlich etwas gefunden, FÜR das er kämpfen würde. Sound mäßig ist das eine Powerrock-Ballade mit Countryfeeling, die mich irgendwie auch an die Eagles und Chicago erinnert. Absolut wunderbar. Alles, was bei One Republic falsch klingt, hier klingt es richtig. Und am falsettiert sich Timberlake dann in den Himmel – und unten drunter läuft ein Vocalsample in Dauerrotation: „You are, you are, the love, of my life.“

10. Blue Ocean Floor

Experimenteller Track der irgendwie nach Thom Yorke meets Frank Ocean klingt. Reverse-Keyboards, gesamplete Sounds eines stoppenden Kassettendecks und ein Timberlake, der ein kleine Countrymelodie singt. Beinahe ein Gute-Nacht-Lied. Auf jeden Fall aber ein perfekter Schlusspunkt für ein fast perfektes Album.

Fazit: Ich war nie ein großer Timberlake-Fan – aber dieses Album ist schon etwas besonderes. Hinter jedem Beat noch ne Idee – aber niemals aufdringlich. Auf jede Melodie folgt noch eine Melodie – und meist eine noch schönere. Klar, die textliche Tiefe eines Frank Ocean erreicht er nicht, dafür macht das Album einfach Spaß. Meisterlich.

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