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Der HofackerMit Verlaub, mein Lieber, das halte ich für ziemlichen Unfug und obendrein einer typisch deutschen Sichtweise geschuldet. Vor allem wenn man versucht, da einen reaktionären gesellschaftspolitischen Aspekt reinzudichten. Fakt ist, dass die englische Popmusik grundsätzlich und Glamrock ganz besonders ohne die Tradition der Music Hall kaum zu verstehen sind. Das Spielen mit (geschlechtlichen) Identitäten und Rollen gehört seit Hunderten von Jahren zum Repertoire der englischen Unterhaltungskunst (siehe Monty Python). Mag sein, dass es ein kleinbürgerliches Vergnügen ist – so what (zumal die Betuchteren gerne in den Logen der Theater saßen und sich über die selben Witze auf der Bühne und dazu gleich noch über den dumpfen Pöbel davor lustig machten)? All das hat Glamrock aufgenommen, zitiert, damit gespielt und sich dabei auch auf Leute wie etwa die Bonzo Dog Doo Dah Band, Arthur Brown, auch die frühen Genesis und – mit Abstrichen – Pink Floyd bezogen, Künstler also, die ihren Act ganz bewusst auf diese Comedy-Traditionen aufgebaut haben. Leute wie Bowie und Roxy Music haben diesen Klamauk dann später mit einer gewissen kulturellen Ernsthaftigkeit aufgeladen.
Okay, guter Punkt. Monty Python kam mir auch in den Sinn. Aber eigentlich liegen wir doch gar nicht so weit auseinander? Das Spielen mit Geschlechterrollen als Unterhaltsungskunst eben. Die gesellschaftspolitische Bewertung dieses Spiels kann ja nur umstritten sein. Die einen halten es für aufklärerisch, die anderen für reaktionär. Das kann wohl nur individuell betrachtet werden. Die einen denken eben „was für ein schräger Vogel, gut, dass ich normal bin“, die anderen denken „stimmt, das ist ja alles nur ein Spiel, und der ist gar nicht so viel anders als ich“. Die Reaktion bestimmt den Sinn. Oder frei nach Krishnamurti: Das Beobachtete ist der Beobachter.
An Herr Rossi: Derzeit höre ich übrigens Rhye – kein Americana und kein Rap, sondern durchauch ein ein Geschlechterrollen-Album – und ein verdammt gutes.
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