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nikodemus@Irrlicht
Prosas „Rangoon“ ist eine sehr deutliche Abkehr von dem dylanesken Folkmelodien des Debüt. Die Tracks sind weniger eingängig, musikalisch wird es durch die komplexen Bandarrangements deutlich komplexer. Die Außenseiterhymne „Charlie“ erinnert mich an Radiohead, danach wird es mal poppig, mal elektronisch und nur noch selten leise. Prosas überambitionierte Texte ziehen ihren Charme daraus, dass ein 22jähriger meint, mit Musik immer noch die Welt verändern zu können. Die auf deutsch und von Cohen abgenickte Version von „Hallelujah“ fügt sich so dreist ein, dass man erst gar nicht glaubt, dass da einer wirklich absichtlich an so einem großen Song scheitern will. Die deutschen Übersetzungen stören natürlich beim ersten Anhören und ich hab mich immer gefragt, ob man das darf. Aber stellenweise klappt es und manchmal reichen die deutschen Worten nicht an Song heran, aber interessant ist es dennoch. Am Ende verabschiedet er sich in „Cafe Noir“ dann wohl endgültig vom Dylan, indem er dessen „Desolation Row“ ähnlich umschreibt wie damals Diestelmeyer in „Jenseits von Jedem“. Das schönste Stück kommt aber am Ende: ein hallendes, altes Klavier, eine Seemannsmelodie und Prosas flüstert Wörter über das Heimkehren. In der Summe ein forderndes Album, wegen (über)ambitionierter Texte, einem polarisierendem Sänger und einem heterogenen Soundgemisch. Er weiß noch nicht genau wohin es gehen soll, aber stellenweise ist es spannend ihm bei der Suche zuzuschauen.
Höre ich ähnlich wie Du, empfinde es aber nicht als Abkehr von Dylan, sondern mehr ein Versuch, dem Desire – Dylan näher zu kommen. Textlich versucht er für meinen Geschmack manchmal zu viel. Ich glaube aber, dass er uns in 5-6 Jahren – wenn es denn so weiter geht – ein deutschsprachiges Meisterwerk präsentieren wird.
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