Re: Retromania | ist Pop tot?

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Zurück zu Retro: Kurioserweise gehöre ich ja hier, auch wenn ich die übergriffige Ausdehnung des Retro-Begriffs auf alles mögliche bis hin zum Sampling für analytisch kontraproduktiv halte, zur Minderheit derer, die den „Retro“-Begriff durchaus nicht schlechterdings unnütz finden. Wenn man Kunst prinzipiell immer im Spannungsfeld zwischen Traditionsbewusstsein (T) und Innovationsbewegung (I) ansiedelt, dann ließe sich „Retro“ als Trend in der Popmusik seit (ja, seit wann denn genau? Ich schätze mal, seit den 90ern oder so) definieren, den Akzent hin zu T zu schieben und in immer schnellerer Folge immer kürzer zurückliegende Moden in Musik, Kleidung, Stil zu recyceln, wiederaufzugreifen, zu reaktivieren, zu verbrauchen, auszubeuten, abzulegen und bei nächster Gelegenheit erneut zu verwursten, bis man am Ende das Gefühl hat, dass all die Traditionsbestände permanent nebeneinander Wiedergeburt um Wiedergeburt erleben (tolos Stichwort „Referenzhölle“). Exemplarische Retro-Phänomene scheinen mir die Chartshows, die x-malige Reinterpretation einschlägiger Lieder in Castingshows, die semi-ironische Zelebrierung des deutschen Schlagers durch Leute wie Dieter Thomas Kuhn, die diversen Ü-Partys für Leute über 30, 40, 50 mit Musik der 80er-, 70er-, 60er-Jahre oder die deprimierende Programm-Enge des Formatradios zu sein. Tatsächlich glaube ich, dass viele Hörer derzeit diesen Irgendwie-war-doch-alles-schon-mal-da-Eindruck haben, während zum Beispiel Mitte der 60er-Jahre, wenn man Zeitzeugen glauben darf, das Wow-hier-tut-sich-ja-alle-paar-Wochen-was-Neues-Gefühl recht verbreitet war.

Und nun ein Sakrileg – ich empfehle herzlich zur Lektüre den Artikel „Retrowelle“ in der hier oft und gerne als Oberflächen-, After- und Des-Informationsplattform geschmähten Internet-Enzyklopädie wikipedia.

Was aber Pizza und Kartoffelauflauf betrifft: Durch kreative Verwertung von Essensresten lässt sich innovativ kochen!

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