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Anonym
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tolo, eine Gegenthese:
Was, wenn die angebliche Rückwärtsgewandtheit der Popkultur nur ein Gewinn an historischer Tiefenschärfe ist?
Denkanstöße dazu:
– Durch die digitale Archivierung schieben sich Vergangenes und Gegenwärtiges frei verfügbar ineinander im Modus der Gleichzeitigkeit.
– Das Switchen zwischen aktueller Ausdrucksform und Nutzung bewährter Genre-Techniken ist heute leichter.
– Da jeder via Internet/Tonträger/Dateien/Bildkonserven über einen enzyklopädischen Zugriff auf Vorangegangenes verfügt, wird es einerseits (aus Produzentensicht) leichter, sich in aktuellen Kunsthervorbringungen auf Vergangenes zu beziehen, andererseits (aus Rezipientensicht) leichter, zu erkennen, wo sich jemand auf Vergangenes bezieht.
– In den 60er-Jahren wurde Pop von vielen als geschichtslos empfunden (obwohl natürlich die Musiker auch damals natürlich an Vorläufer und Traditionen anknüpften), weil diese Vorläufer und Traditionen (zum Beispiel Bluesplatten) relativ schwer zugänglich waren im Vergleich zu heute (x Fernsehsender, youtube etc). Bezeichnend ist, wie in den 60er-Jahren zum Beispiel Bob Dylan vor allem als Innovator wahrgenommen wurde, während er sich de facto in eine breite, weit zurückreichende Tradition stellte (Smiths Folk-Anthologie, Blues etc als Stichworte). Aber damals gab es noch keine Theme Time Radio Hour, die solche Zusammenhänge transparant machte.
– Was manche als Verkümmerung des Gegenwartsbezugs in der Popmusik kritisieren, ist in Wahrheit eine Bereicherung des Gegenwartsbezugs um den Faktor Geschichtsbewusstsein.
Bitte drüber nachdenken und widerlegend oder zustimmend abarbeiten!
(Und bitte nach Möglichkeit nicht mit der länglichen Zitierung eines Aufsatzes von wem auch immer antworten …)
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