Re: Retromania | ist Pop tot?

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sonic-juice
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tolomoquinkolomRetro, merkwürdig alt klingend, aber doch sehr zeitgenössisch, setzt sich wohl mit ganz aktuellen Kulturhervorbringungen auseinander, die möglichst 1:1-Kopien (und ohne Beimengungen) aus einer gewünschten Vergangenheit herzustellen versuchen (die wiederum selbst nie retro war). Retro wären demnach wohl z.B. Adele, The xx, The White Stripes oder Kitty, Daisy & Lewis ebenso wie der kürzlich Oscar-gekrönte Stummfilm THE ARTIST von Michel Hazanavicius bzw. die Filme von Quentin Tarantino, oder im Bereich der Bildenden Kunst die Werke von Ralf Metzenmacher – von der Mode ganz zu schweigen.

Das Problem an den Beispielen – und insofern auch an der Eingrenzung des vermeintlichen Retro-Phänomens – ist, dass man bei genauerem Blick auf jeden einzelnen Act gut begründen kann, dass die Schublade klemmt (siehe Rossis Einwände weiter oben, am offenkundigsten bei The XX). Selbst die Tracks von KD&L (insbesondere die Stilmischung des 2. Albums) hat man genau so noch nie zuvor gehört – allerdings gibt es aus diesem Bereich früher wie heute sicherlich zwingenderes. Nick Waterhouse wird allzuoft in irreführende Zusammenhänge von Winehouse bis 60s Soul gestellt, die offenkundig sehr wenig mit seinem Sound zu tun haben. Bei genauerem Hinhören ist es auch hier sehr schwer, überhaupt klare Vorbilder auszumachen, die früher mehr oder weniger genau so klangen. Gritty Blue Eyed R&B der frühen 60er jenseits von Georgie Fame und den britischen Beat Bands? Beispiele bitte!
Bin mir nicht sicher, ob die genannten Bands (bei allen stilistischen Referenzen an vergangene Trends) irgendeinen Orginalitätsmalus gegenüber irgendeinem anderen aktuellen Act haben (der sich ggf. dann halt eher auf die 70s, 80s, die Singer/Songwriter-Tradition, Brit Pop, Hip Hop oder sonstiges bezieht). Vielleicht liegt es daran, dass viele Leute eher genaue Differenzierungen bei Folk- und Singer/Songwriter-Klängen vornehmen können als bei Rockabilly, Rhythm & Blues oder Soul. Da klingt aus der unkundigen Distanz halt alles gleich. Und wenn heute jemand sich dieses Instrumentariums bedient, ist das dann halt gleich ein Klon… Den Eindruck hatte ich jedenfalls bei Reynolds bisweilen.
Michael Kiwanuka ist ja zB nicht deshalb langweilig, weil er etwa Terry Callier und Bill Withers belehnt, sondern weil er musikalisch vergleichsweise wenig zu sagen hat. Das ist aber wohl eher eine Frage des Talents als des Sounds.

Und dass ausgerechet Tarantino 1:1-Kopien einer Vergangenheit anstrebt, wäre mir sowieso neu. Mal Castellaris „The Inglorious Bastards“ oder Jack Hills „Foxy Brown“ gesehen und verglichen? Der Mann ist mit seinem Schaffen immerhin so prägend und eigen, dass „tarantinoesk“ es in das Vokabular der Filmkritik geschafft hat.

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