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21.02. The Deep Dark Woods in Darmstadt
Die Idee: „Wohnzimmerkonzerte“ heißt die Reihe der Bedroomdisco, bei der Bands in (großen) Wohnzimmern (deren Standort erst einmal geheim gehalten wird) auftreten sollen, Zuschauerplätze verlost werden, aber nichts kosten und anschließend um Spenden, die komplett an die Band gehen, gebeten wird. Ich hab mal für zwei Personen gemeldet und war extrem gespannt, wie das ausgeht. Zum einen dachte ich mir, da wird’s nicht so viele Leute geben, die die Band, die nur zwei Konzerte in Deutschland gab, überhaupt kennen. meine Chancen dürften daher vielleicht nicht so schlecht sein, zum anderen war ich sehr gespannt, wie man eine Fünf Mann Band plus Publikum in was für einem Wohnzimmer unterbringt.
Am 20. kam dann die Bestätigunng; ich hab gewonnen. Das „Wohnzimmer“ ist dann aber doch ein mir bekannter Auftrittsort in Darmstadt, angeblich weil die Band so viel Equipment hat; nun bin ich gespannt, wie viele Leute außer mir noch „gewonnen“ haben. Einlass soll nur bis 19.50 sein und strikt gehandhabt werden, steht in der Mail, also ist Eile geboten, da ich bis 19.00 Uhr arbeite. Ich schmeiße also ein Forumsmitglied und treuen Stammkunden um 19.05 Uhr aus dem Laden, muss mich dann weitere fünf Minuten bei meiner Freundin entschuldigen, dass ich das nicht schon Fünf Minuten früher getan habe („Du hast dem doch gesagt, dass Du pünktlich zumachst!“) und wir uns jetzt so beeilen müssen, weil wir ja eventuell noch einen Parkplatz suchen müssen, nur um dann um 19.45 festzustellen, dass der Laden ziemlich voll ist (werden wohl so ca 100 Leute gewesen sein; wir vermuten, das ist einfach das Stammpublikum, denn es stellt sich heraus, dass einige Leute nicht mal wissen, wie die Band heißt) es keine Sau interessiert, wann Du kommst (aber wenigsten wird kontrolliert, ob man auf der „Gewinnerliste“ steht) und die Band sowie der Opening Act (ein in Deutschland lebender Kanadier) noch das Eishockey-Spiel Kanada-USA schauen und das Konzert „etwas“ später beginnt.
Irgendwann steht dann ein kanadischer Singer-Songwriter auf der Bühne und klagt sein Leid. Und er klagt reichlich, womit ich lebe könnte, aber er klagt leider immer nur über zwei Harmonien, weshalb ich nach fünf Songs dann doch das Weite suche, auch wenn sich in einen Song genau eine dritte Harmonie eingeschmuggelt hat.
Seine letzten drei Songs nutzen wir dann, uns etwas frische Luft und Bewegung zu verschaffen. bevor The Deep Dark Woods die Bühne betreten.
Schon das Bühnenbild ist großartig, in der Mitte der etwas grobschlächtige Sänger Ryan Boldt, ein unverkennbarer Kanadier, sitzend mit Akustikgitarre, links neben ihm der ebenfalls unverkennbar kanadische Geoff Hilhurts, der meist eine Orgel spielt, aber auch immer mal wieder zur zweiten E-Gitarre greift und da dann für die verzerrten (aber viel zu leisen) rockigen Klänge zuständig ist, während der Frischling Clayton Linthicum halbrechts durchweg einen an die Byrds erinnernden Sound spielt, melodischere Akzente setzt und auch optisch zu den Byrds zur „Younger than Yesterday“-Zeit passen würde. Und ganz rechts steht dann noch Bassist Chris Mason, der dann optisch an Jerry Garcia erinnert und mit Schlagzeuger Lucas Goetz den Harmoniegesang beisteuert. Schon diese etwas statische Aufstellung und dazu der Look der Band begeistert mich, vielleicht kann ich noch ein paar Bilder nachliefern.
Die Band ist bestens gelaunt, weil Kanada das Eishockey-Match geownnen hat, spielt aber an dem Abend fast ausschließlich Midtempo-Nummern, da sie keine Bühnenmonitore haben. Das ist für einen Teil des Publikums auf Dauer ermüdend, und Boldts Gesang ist bei diesen Nummern auch nur weng variantenreich, aber die Atmosphäre gefällt mir sehr. Zwischendurch bedankt sich Boldt beim Veranstalter, dass sie das Spiel schauen durften, lobt das Essen (salad and Pasta) und fragt, ob in Deutschland wirklich alle dieses Club-Mate Zeug trinken, das sie in dem links-Alternativen Schuppen, in dem das konzert letztlich stattfindet, als eines von 5 politisch korrekten Getränken anbieten. (Einfaches Mineralwaser gibt es übrigens nicht, nur Fritz Kola, Fritz Apfelschorle, Club Mate, alkoholfreies Radler und Bier und dass die angebotenen Flaschen keine 0,5 sondern nur 0,33 Liter enthalten ist in all den Jahren wohl niemandem aufgefallen.).
Neben zahlreichen aktuellen Albumtracks gibt es ein paar englische Folksongs, „Absolutely Sweet Marie“ als (einzigen) richtigen Rocker und am Ende noch „We bid you goodnight“ als einzige Zugabe. die E-Gitarristen dürfen immer mal wieder ein bisschen kontrolliert solieren, die Rhythmusgruppe ist fast schon unscheinbar, aber wie auf der aktuellen Scheibe ist diese Musik einfach eine wunderbare Mixtur, die mal an „The Band“ und mal an die Dead erinnert und mit dieser Byrds-Gitarre verziert ist. Ein paar flottere Nummern (ausgerechnet mein persönlicher Favorit „Bourbon Street“ fiel den mangelnden Bühnenmonitoren zum Opfer) wären schön gewesen aber auch so war es nicht nur weil ich mir dort das nur als teurer Import erhältliche Vinyl zu einem normalen Preis sichern konnte ein richtig tolles Konzert, von dem man vollkommen entspannt und ohne Hörschaden nach Hause kam.
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Was nutzt es denn, einem alten Ochsen, der nur ein einziges Sprüchlein draufhat, in's Horn zu kneifen?!