Re: Suicide – Alan Vega + Martin Rev

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friedrich

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Holla,

es ist ja einiges los hier!

WenzelDu weißt aber schon, dass nicht Modern Talking gemeint war, oder? Der Vergleich hinkt natürlich gewaltig, aber DAF waren damals auch nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Rev und Vega hätten es nach dem ersten Album gut sein lassen sollen.

Die Diskussion über die manchmal schwierigen Charaktere von Künstlern, insbesondere derer, die öffentlich auftreten, hatten wir ja schon an anderer Stelle ansatzweise geführt. Ich kann nur wiederholen: Wenn ich danach gehen würde, müsste ich die Hälfte meiner Plattensammlung wegwerfen! Das fängt an bei Charlie Parker, geht über Thelonious Monk, Charles Mingus und Stan Getz, weiter zu Nina Simone, James Brown, Brian Wilson, Marvin Gaye, Lou Reed, die Ramones, möglicherweise Suicide und was-weiß-ich noch bis zu welchen anderen gegenwärtig aktiven Musikern, über deren wahres Wesen man vermutlich erst nach ihrem Ableben erfahren wird – sofern sie es nicht publikumswirksam sowieso schon in der Öffentlichkeit zur Schau tragen. Es ist bitter, aber gerade Künstler sind oft nicht gerade die ausgeglichensten Menschen. Sonst wären sie keine Künstler sondern wären mit einer Angestelltenexistenz zufrieden.

Aber wir schweifen vom Thema ab.

Negative ApproachDie erste Suicide ist absolut genial (*****), die zweite (höchstens ***1/2) naja nix besonderes, leider fehlt total die Spannung und das Unheimliche der ersten. Aber cool ist noch die Compilation „Half Alive“ (****).

Über das zweite Suicide-Album gehen die Meinungen offenbar weit auseinander. Ich persönlich finde es toll.

Negative ApproachAllerdings fällt mir spontan kein besseres Electropunk/Electroduo/allgemein Elektronisches ein als die erste Suicide. Die ist nicht zu toppen und gehört zu meinen Lieblingsplatten, wie viele LP’s aus NY zwischen 1967-1977 (Velvet Underground, Johnny Thunders & The Heartbreakers, New York Dolls, Dictators, Dead Boys, Ramones, Wayne County, Television, Richard Hell & The Voidoids, The Real Kids, etc., um nur die wichtigsten aufzuzählen).

Das ist interessant: Ich finde ja auch, dass Suicide sehr in ihrer Zeit verwurzelt sind, hätte sie aber eher mit der Szene ab Mitte der 70er in Verbindung gebracht, die sich z.B. im CBGBs tummelte, zumal sie selbst ja erst 1977 ihr Debut veröffentlichten. Aber klar: Suicide sind stark von den späten 60ern, vor allem VU und auch The Stooges geprägt. Aber das nimmt vieles von dem vorweg, das ich noch später erzählen will.

Catch-22Hier eine gute Infoquelle: Suicide (New York City November 1970 – today)

Unglaublich, was die Leute so alles meinen dokumentieren zu müssen. Aber toll!

The ImposterHab Suicide das erste Mal Ende Juni ’78 als Support von Elvis Costello in der Neuen Welt gesehen. Da dachte ich auch erst, was ist denn das für ein Arschloch? Vega hat sich öfter mal selbst geohrfeigt und ab und an in’s Publikum gespuckt.

Musikalisch sind sie mir dann doch sehr bald ans Herz gewachsen. Das zweite von Ric Ocasek (The Cars) schon fast poppig produzierte Album gefiel mir persönlich noch besser als das erste und gehört zu meinen Alltime Faves.

Die ersten drei Alan Vega Alben (’81 bis ’83) fand ich auch ganz vorzüglich. Da hat er so eine Art monotonen Psychobilly mit parodiertem Elvis Howl produziert und auch noch ein paar Song Highlights abgeliefert (Jukebox Baby, Speedway, Goodbye Darling ..)

Die öffentliche Präsenz von Alan Vega ist wohl durchaus ganz bewusst von ihm selbst inszeniert.

Zu den sehr unterschiedlichen Bewertungen des 2. Suicide-Albums hatte ich mich schon geäußert und auch ich finde einige von Alan Vegas Solo-Alben sehr gut. Kennt jemand Cubist Blues von 1996?

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)