Re: Deutscher (Post) Punk & New Wave (NDW) – 10 Alben

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friedrich

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BrundleflyIn den Liner Notes meiner Ausgabe von „Gold und Liebe“ (geschrieben von Biba Kopf) wird Gabi Delgado folgendermaßen zitiert:

„They only used the Mussolini thing as an excuse for their attack. Behind this was an attack on sex and love songs. They were far more of a taboo. The main thing they had against us was the sex association. The funny thing with DAF was that we got the very conservative people and the ’68 left wing people walking hand in hand against us. There was suddenly a coalition between these left wing people, who couldn’t understand words like lust or fantasy, and the conservative people, who don’t want lust of fantasy or pleasure… The people who were reacting against DAF, you can really call them the lust enemies.“

Da sich die Songs auf besagtem Album eigentlich fast alle um das Thema Sex drehen, erscheint das plausibel. Wurde der Song damals so kontrovers aufgenommen? Frage deshalb, weil ich „Der Mussolini“ als Nachgeborener öffentlich fast nur in linken (oder eher) linksradikalen Kontexten gehört habe.

Ich keine Gold Und Liebe nicht. Es gab eine Ausgabe mit liner notes? Interessant!

Lust, Sex, Homo-Erotik waren immer Themen bei DAF, überhaupt der Körper, auch Ideologie und Gewalt. Man sollte dabei auch in Betracht ziehen, dass die frühen 80er in Deutschland immer noch politisch sehr polarisierte Zeiten waren. Manche hätten alles, was links der SPD war, gerne einen Kopf kürzer gemacht, während andere gerne gewaltsam die Regierung gestürzt hätten. Weder das eine noch das andere ist je passiert. Aber es war in den Köpfen. Erinnert sich noch jemand an den Begriff „Militärisch Industrieller Komplex“? :lol: Es gab ja auch noch die Mauer und den kalten Krieg. Gleichzeitig gab es aber auch noch eine Spät-Hippie Szene, die sich tatsächlich aber schon längst etabliert hatte. Da wurde alles zer-diskutiert, man hing bei Raucherstäbchen und Tee rum und es bewegte sich nichts mehr. Tanzmusik wurde als oberflächlich abgelehnt. Eigentlich galt Spaß sowieso irgendwie als etwas debil. Man war nachdenklich, innerlich und ernst und hielt sich für furchtbar schlau. Es ging um innere Werte, nicht um Sex. Und das war auch ein latenter Zwang zum Konformismus. Ich weiß noch, dass 1979/80 Pink Floyds The Wall für viele die Platte war. Galt als kulturell wertvoll.

Insofern kann ich Gabi Delgado bestätigen. Das waren – zumindest in weiten Kreisen – sehr lustfeindliche Zeiten. Ich kann mich erinnern das z.B. Der Mussolini von vielen einfach strikt abgelehnt wurde. Eher auf so eine Art, dass Leute angesichts solcher Primitivität in einer Mischung aus Irritation und Ekel die Tanzfläche verließen. Ich glaube die Leute waren sowohl von der absichtlich simplen und repetetiven, extrem körperlichen Musik als auch von der Gleichsetzung von Kommunismus, Jesus Christus und Adolf Hitler provoziert und überfordert. Man konnte damit tatsächlich Parties sprengen.

DAF waren in mehrfacher Hinsicht radikal, sowohl was Politik, Sex und Lust betraf, wobei sie sich über Politik eigentlich lustig machten aber Lust und Sex sehr ernst nahmen!

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)