Re: Jürgen Teipel – Verschwende Deine Jugend

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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lathoDie Ausgabe, die du abgebildet hast, habe ich auch – freut mich zu hören, dass es eine erweiterte ist. Ich selber habe bis her nur mal geblättert, aber die Montage kurzer Interview-Teile verspricht schnelles Lesevergnügen. Mal sehen, ob ich 400 Seiten dabei bleibe. Irgendeinen Sampler gab es auch zum Buch, habe ich neulich irgendwo gelesen (bin gerade zu faul zum Suchen). Gab es auch eine TV-Doku dazu? Einen Film ja sowieso, der aber meines Wissens nicht mit dem Sujet zu tun hat.

Das Montageprinzip finde ich bei VDJ ganz große Klasse: Zum einen bekommt man ausschließlich O-Ton der Protagonisten zu lesen, was gelegentlich auch unterschiedliche Sichtweisen oder Beurteilungen der gleichen Sache beinhaltet. Zum anderen ergibt das ein mehr oder weniger grob oder fein gerastertes Mosaik, und das sieht aus verschiedenen Entfernungen und Perspektiven teils auch unterschiedlich aus. JT hat natürlich eine Auswahl der Aussagen getroffen, die er publiziert, und er stellt auch Zusammenhänge her, in der Art und Weise, wie er sie montiert. Aber explizit urteilen oder werten tut er nicht und so bleibt es am Ende dem Leser selbst überlassen, welches Fazit daraus zu ziehen ist. Der Film entsteht eigentlich erst im Kopf und auch im Film ist ja oft der Schnitt entscheidend. Die erweiterte Ausgabe darf man dann vielleicht sogar als Director’s Cut bezeichnen? Ich selbst habe das Buch jedenfalls verschlungen!

Die CD ist diese hier: http://www.amazon.de/Verschwende-Deine-Jugend-Various/dp/B008E8XU8Y/ref=sr_1_1?s=music&ie=UTF8&qid=1349350033&sr=1-1

Kenne ich aber nicht. Dem Augenschein nach ist die ganz okay, wenngleich man über die Auswahl streiten kann. Einiges stand sicher auch aus Lizenzgründen nicht zur Verfügung (z.B. Einstürzende Neubauten, Ideal …) Komischerweise gibt es davon auch eine ältere – aber umfangreichere Version.

Der Spielfilm trägt nur den gleichen Titel. Hat mit dem Buch nichts zu tun.

Wenzeldas würde ihm wahrscheinlich gefallen, obwohl er heute eher zum Künstler-Prekariat gehört.
Wenn man sich für die Zeit interessiert, ist VDJ natürlich ein faszinierendes Buch.
Die Alteingesessenen werden sich wohl daran erinnern, dass es hier schon mal eine hitzige Diskussion gab. Teipel soll insbesondere dem Gewalt-Aspekt etwas zu viel Raum gegeben haben.

Diese hitzige Diskussion würde mich sehr interessieren!

Peter Hein war tagsüber kleiner Büroangestellter bei Rank Xerox und abends der Ober-Punk im Ratinger Hof und Sänger der Fehlfarben. Später hat er sich für den Job bei Xerox entschieden und die Rolle als Fehlfarben-Sänger aufgegeben. Damit war er sicher auch nicht mehr der Ober-Punk. Vor einigen Jahren ist er bei Xerox wohl rausgeflogen und muss sich seitdem anders durchwurschteln.

Die Gewalt- und Alkoholexzesse, vor allem des KFCs (Kriminalitäts Förderungs Club), werden tatsächlich recht ausgiebig dargestellt. Sind ja aber auch sehr spektakulär und haarsträubend. Der KFC war eine Band, die sich selbst absichtlich in eine Außenseiterposition brachte und selbst innerhalb der Szene auf Provokation aus war und die Grenzen auslotete. Aber für Tommi Stumpff war diese Provokation durch Gewalt und Obszönität Programm. Das Problem war wohl bloß, dass er die Dosis immer weiter steigern musste um den gewünschten Effekt zu erzielen. Bis zur Selbstzerstörung. Sicher ist das in diesem Ausmaß eher eine Ausnahme in der Szene, obwohl Provokation und Koketterie mit Gewalt ja durchaus üblich waren. Wie der KFC musikalisch war? Keine Ahnung. Vermutlich war das nicht der interessantete aspekt an dieser Band. Dennoch räumt JT dem KFC tatsächlich verhältnismäßig viel Raum ein, aber ich glaube auch hier darf der Leser am Ende selbst entscheiden, wie stark er das gewichtet.

Joshua TreeGibt es, wurde allerdings bisher nur auf der Berlinanale 2005 zu sehen war.

Für mich persönlich das beste Buch über deutsche Musikgeschichte, weil ich die Abschnitte über Hamburg zum großen Teil selbst miterlebt habe.

Joshua TreeBerlinanale

Waaahnsinnig komisch! ;-)

Ich habe damals in der Umgebung von HH gelebt und war wohl auch noch etwas zu jung. Immerhin kann ich mich aber noch an Auftritte von DAF und Palais Schaumburg in der Markthalle erinnern. Und in der Marktstube habe ich auch das eine oder andere Bier getrunken.

Ich finde das Buch auch klasse. Man darf allerdings nicht die Erwartung haben, dass VDJ ein Buch ist, dass die Musik an sich in den Mittelpunkt stellt, und schon mal gar nicht, dass man eine mehr oder weniger vollständige Dokumentation über Punk und New Wave in Deutschland bekommt. Den Begriff Neue Deutsche Welle verwendet JT ja sogar überhaupt nicht, denn der ist inzwischen auch noch anders konnotiert. Ein mosaikartiges Sittengemälde einer Szene, so würde ich Verschwende Deine Jugend knapp beschreiben.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)