Re: Pop Crimes: Jan Lustiger denkt laut über Platten nach.

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nail75

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Jan LustigerNoel Gallagher setzt seine Forderungen in einem persönlicheren Rahmen an. Seine Worte richten sich an eine Love Interest, der gefälligst klar zu sein hat, mit wem sie ihre Zukunft zu verbringen gedenkt. „By now / you should’ve somehow / realized what you gotta do“, kommt es gewohnt selbstbewusst von Liams Lippen. Selbst die Romantik ist arrogant im Hause Gallagher. Doch steht dieses starke Selbstbewusstsein nicht um seiner Selbst Willen. Geschickt gibt Noel im Refrain seiner Arroganz den Anklang eines Verteidigungsmechanismus, wenn er zugibt, von irgendjemandem gerettet werden zu müssen. „Cause after all / you’re my wonderwall“ – ein Eingeständnis von Abhängigkeit. Auch der Person, der seine Begierde gilt, wird ein tragischer Hintergrund zugeschrieben: Die Zeile „Word is on the street / that the fire in your heart is out“ legt eine Desillusionierung in ihrem Liebesleben nahe, vermutlich von einer schmerzhaften Trennung verursacht. Das die Strophe beschließende „I don’t believe that anybody / feels the way I do / about you now“ macht die Abhängigkeit des Protagonisten zur Gegenseitigkeit. Davon muss diese Person nur noch überzeugt werden.

Überzeugt mich nicht so ganz. „Cause you’re my wonderwall“ ist kein Eingeständnis von Abhängigkeit, sondern der letzte Versuch jemand rumzukriegen, der eigentlich schon woanders ist. In die gleiche Richtung geht die „I don’t believe“-Zeile. Ich gebe zu, dass man das auch als Abhängigkeit interpretieren kann, ich würde aber zu Begierde neigen, vor allem da Wonderwall in Attitüde und Vortrag wenig von Abhängigkeit oder Leid erkennen lässt. Man kann natürlich sagen: das ist nur Fassade. Im Grunde schreibst du es ja selbst, wenn Du es „eine stürmische Hymne auf den erhofften Neubeginn einer Beziehung und der damit einhergehenden Hoffnung“ nennst.

Ich denke, es ist logisch, dass Künstler dieses Lied auch als traurigen Abgesang, als „Trennungslied“ interpretiert haben. Es gibt ja auch noch die Version von Ryan Adams, die noch düsterer und langsamer ist als die von Chan Marshall und die mir deutlich besser gefällt.

Ein kleiner Hinweis noch zu deinem Stil. Ich bin ein Freund einfacher Sprache. Dein Sprachstil ist sehr kompliziert mit vielen komplexen grammatikalischen Strukturen, verschachtelten, langen Sätze und Fremdwörtern. Die Grundaussage ist eigentlich nicht so schwer zu verstehen, aber du hast darum einen sehr langen Text gebaut, der einiges an Zeit benötigt, um verstanden zu werden. Ist es das was du willst? Wenn ja, lass es so. Wenn du es deinen Lesern etwas leichter machen willst, streiche die Einleitung (die ersten drei Absätze), kürze den Text (auf 1-1,5 Seiten DIN A4), arbeite die Grundaussage deutlicher heraus, mach mehr Absätze, schmeiß die Fremdwörter raus und vereinfache den Satzbau. ;-)

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.